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6.3.17 Zu Fontanes Honig-Wabe

Zum Venuswagen

Venuswagen? Der Name beschäftigte mich, nachdem ich den hintergründigen Wabenext von Fontane eingerückt hatte. Da wollte ich doch wissen, um welche Pflanze es sich handelt.

Krippenstapel, Lehrer und Imker, spricht von einer roten und blauen Blume. Beiden seien sehr giftig. Trotz Internet gewann ich letztendlich keine Klarheit. Da gibt es den blauen Eisenhut, die giftigste Pflanze in unseren Breiten überhaupt. Dann suchte ich über Googel nach dem roten Venuswagen, landete aber bei der Aklei. Die spielte, erfuhr ich, früher ebenfalls in der Medizin eine erhebliche Rolle. Der Waldakelei wurden liebesfördernde Wirkungen nachgesagt. Deshalb also die Bezeichnung „Venuswagen“; in der Schweiz lautet der gebräuchliche Name „Schlotterhose“. Beide Pflanzen benötigen allerdings Hummeln für ihre Bestäubung, da die einen wesentlich größeren Rüssel haben und deshalb tiefer als Bienen in die Pflanze eindringen können. Honi soit qui mal y pense.

Verkümmerung des Blütenangebotes

Ob es beide Pflanzen in ihrer Wildform heute noch gibt? Wahrscheinlich nur noch auf irgendwelchen roten Listen. Aber nicht mehr als selbstverständliche Trachtpflanze für Bienen und Hummeln wie zu Zeiten Fontanes. Da gab es, so heißt es an anderer Stelle, im Wald auch noch Enzianstauben. Nichts davon wächst mehr in märkischen Landen. Das ist nur ein Beispiel für die Verkümmerung des Blütenangebotes, auf das Insekten angewisen sind.
Dessen Mix, so denke ich mir, machte die Qualität des Honigs aus. Von dem wird Lehrer Krippenstapel damals ca. 15 kg geerntet haben. Heutige Imker bringen es locker auf die vierfache Menge. Das liegt u.a. an den gewaltigen Raps-Äckern. Doch Vorsicht: Quantität schlägt niemals Qualität.

Reduzierte Heilkraft des Honigs?

Von der Heilkraft des Honigs sprechen wir heutigen Imker allerdings noch genauso wie einst Krippenstapel und v. Stechlin. Zu recht? Wir geben damit nur unüberprüft & gedankenlos weiter, was seit Jahrtausenden zum abendländischen Standardwissen gehört. Wir verweisen auf die Wundbehandlungen, von denen Homer berichtet und zitieren die Verordnungen des antiken Arztes Hippokrates von der Insel Kos. Die gibt es heute noch an der gleichen Stelle in der Ägäis. Doch der Honig von dort muß ein völlig anderer sein, wird doch die Landwirdschaft im modernen Griechenland genauso betrieben wie bei uns. Vielleicht sogar noch intensiver. Man denke nur an die vielen Folientunnel, unter denen Tomaten, Gurken etc. in Griechenland für die westeuropäischen Märkte in Bio-Qualität wachsen. Das kann nur zur zwangsläufigen Reduktion der Blühpflanzen für Bienen geführt haben! Logischerweise muß sich dann der heutige Honig von dem zu Zeiten des Hippokrates wesentlich unterscheiden. Nur wie? Und die Heilwirkung soll dagegen immer noch die gleiche sein? Das ginge nur, wenn man die alleine den Bienen und nicht mindestens gleichwertig dem Nektarangebot zuschriebe.

Ein Buch mit sieben Siegeln

Nie werden wir erfahren, wie es um die spezielle Heilkraft des antiken Honigs stand. Wir können möglicherweise aus der DNA eines versteinerten Mammuts ein neues Geschöpf entstehen lassen. Wir sind auch in der Lage – Stichwort historische Aufführungspraxis – einen Orchesterklang wie zu Zeit Bachs und Mozarts zu reproduzieren. Doch die Zusammensetzung des Honigs im alten Jerusalem, Rom oder Aachen wird uns auf ewig verschlossen bleiben.
Doch einfach zu behaupten, seine Heilkraft wäre die gleiche wie vor Jahrtausenden, verbietet sich.