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25.8.18 London

Ob sie nicht, fragte ich die schnieke Honigkäuferin N.D. als sie von ihrem bevorstehenden Besuch in London sprach, also, ob sie nicht ein Glas TerroirHonig, das sie ohnehin mitnehmen möchte, dort vor ein, zwei Sehenswürdigkeiten fotographieren könnte? Das wolle sie gerne tun, lautete die Antwort.

Natürlich fällt Ihr Blick, liebe Leserinnen und Leser, bei den Bildern zuerst auf die roten Fingernägel der polyglotten Honigfreundin. Dann erst werden Sie auf das Hochhaus von Renzo Piano schauen, in dem sich immerhin

ein Nobelgrill namens „Obelix“ inclusive seines deutschen Starkochs Rainer Becker befindet; dann auf die Tower Bridge über die Themse,

bei deren Anblick sich niemand auch nur am entferntesten einen Zusammenbruch mit italienischen Dimensionen vorstellen kann.

Jetzt werden Sie ohne weiteres Nachdenken spüren, wie die Themsemetropole, ihre deutsche Besucherin und der Honig aus dem provinziellen Strümp einen harmonischen Dreiklang bilden. Es gäbe andersherum einen Mißklang, wenn hinter den Fotos irgendwelche Marketinginteressen stehen würden, oder der Honigerzeuger sein Produkt mit dem Duft der großen, weiten Welt aufhübschen wollte.

Auf diesen Seiten finden Sie ähnliche Aufnahmen aus Shanghai und Jerusalem. Auch im vorliegenden Fall ist das Glas mit dem TerroirHonig ein Geschenk für Freunde, das nichts als Freude bereiten möchte. Und, anders als beim Alkohl, wo man lediglich „Gesundheit“ sagt und ein Nervengift konsumiert, durch den Genuß direkt Gesundheit bringt & schafft. Da unsere Fotographin ursprünglich aus dem islamischen Kulturkreis stammt, sei hier daran erinnert, dass Allah laut Koran die Biene geschaffen hat, damit sie den Menschen mit ihrem Honig Gesundheit bringt. Das wollen wir gerne glauben. Wobei auch in dem Fall Glauben mehr ist als Wissen.

Doch zurück nach London. Brexit hin oder her: Die Welt ist englisch. Der Satz ist keine Frucht abendlichen Nachdenkens vor einem Strümper Bildschirm, sondern ein Zitat. Es findet sich in der „Strudelhofstiege“ von Heimito v. Doderer. Sie sind verblüfft? Da müssen Sie nur vor oder hinter irgendein Haus schauen und Sie finden dort die Bestätigung. Jedes Anwesen, es sei noch so klein, besitzt einen Rasen. Mit oder ohne Gänseblümchen – keiner kann seine englische Abkunft verleugnen.

Im Roman Heimito v. Doderers kehrt jemand von weiten Reisen an die Donau zurück. Seinen Wiener Zuhörern erklärt er, sie können ruhig zu Hause bleiben, denn die Welt ist durch und durch englisch. Seine Begründung: Weil „England die Welt fasziniert hat, deswegen hält es sie in den Händen. Es hat die Welt nicht fasziniert auf einem Einzelgebiete wie der Italiener oder der Deutsche durch die Musik oder die Franzosen durch ihre Literatur, sondern auf die allgemeinste Art, die gedacht werden kann, nämlich durch die Art zu leben. Es fällt mir übrigens nicht ein, die Ursachen, welche man schulbildungsgemäß für Englands Macht und Größe nennt, zu leugnen. Sie mögen dahin geführt haben. Aber zusammengehalten und tief eingesenkt in den heutigen Status der Welt wird diese Macht und Größe durch die englische Faszination …. Diese wiederum gründe auf einer Versammlung von unscharfen aber zugleich intensiven Vorstellungen, die sofort da ist, wenn wir das Wort ‘englisch’ heute denken: Sie ist das Zeichen dafür, daß die Idee ‘England’ verwirklicht worden ist. …Und wo einer sich selbst fühlt und sich wohl fühlt auf die beschriebene Art, … dort ist England mit seiner Faszination und wenn der Betreffende gar nie um England sich gekümmert hätte.“

Wenn Sie – zugegebener Maßen nach dem etwas lang geratenen Zitat – noch einmal die Londoner Fotos von N. D. anschauen, müssen Sie, geneigte Leserinnen und Leser, also nicht den Wunsch in sich generieren, auch bald einmal an die Themse zu reisen. Weil eben im beschriebenen Sinne auch Strümp durch und durch englisch ist.