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2.3.20 Traueranzeige

Sie sehen hier einen Ausschnitt aus einer Traueranzeige vom 29. Februar in der FAZ. Sie umfaßt eine viertel Seite und ist so groß, dass sie sich auf unserem A4 Scanner gar nicht komplett kopieren ließ. Unterschrieben ist sie vom hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky.

Die Anzeige verdient Respekt. Jeder der neun ermordeten Bürger der Stadt Hanau wird mit seinem Namen gewürdigt. Vorbildlich. Die schlichte und erhabene Größe wirkt beeindruckend.

Der erste Eindruck bekommt allerdings durch die Zeile unter den Namen einen deutlichen Kratzer. Warum taucht der Mörder überhaupt in der Anzeige auf? Und wird darüberhinaus noch als Attenttäter bezeichnet? Das lenkt nur von den Toten ab.

Wenn man denn sich schon entschlossen hat sie in diesem Zusammenhang zu erwähnen: Warum wird der Name der erschossenen Mutter nicht genannt, wo doch alle anderen Toten mit ihrem Namen aufgeführt sind? Ihr Name in diesem Zusammenhang hätte ihr ihre Würde zurückgegeben. Diese Chance wurde verpasst.

Stattdessen nur der Hinweis, dass auch sie zu den Opfern gehört. Offensichtlich wirkt der Zwang unwiderstehlich, die Toten in einer Kategorie zu rubrizieren und einzuordnen zu müssen: „…die ebenso zu den Opfern zählt“.

Dreimal begegnet in der Anzeige der Begriff „Opfer“. Ohne den scheint es nirgendwo mehr zu gehen. Man muß sich nur einmal vorstellen, ein naher Angehöriger wurde am Zebrastreifen überfahren: Dann ist er ein „Verkehrsopfer“. Hier nur so viel, das aber denn doch noch: Opfer ist ein, was sage ich, der zentrale religiöse Begriff. Götter verlangen Opfer. Wehe, wenn sie verweigert oder unterlassen werden.

Aber so ganz scheint die ermordete Frau und Mutter doch nicht zu den „Opfern“ zu gehören, fehlt doch ihr Name. Der Spiegel schrieb, dass alle Toten von Hanau einen Migrationshintergrund haben, nur die Mutter des Mannes nicht, der sich später selbst erschoss. Wieder dieser Rubrizierungszwang.

Ich habe dann versucht, ihren Namen zu ergoogeln. Fehlanzeige. In meinen Augen ist die Leerstelle ihres Namens gleichermaßen unerklärlich wie unverzeihlich, wo doch der Name und Foto des Mörders z.B. von Bild längst verbreitet wurden.

Wir jedenfalls verneigen uns an dieser Stelle vor der ermordeten Mutter.