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27.12.16 Zimtdämmerung

Mir stockte der Atem. Ausgerechnet am Heiligen Abend warnte SpiegelOnline vor Zimt. Man solle bei der Verwendung des Gewürzes in Glühwein, Zimtsternen, Lebkuchen, gebrannten Mandeln usw. sehr vorsichtig sein; Zimt enthalte nämlich mit Cumarin ein gefährliches Gift. Ich bekam einen Schreck, denn in meinem Blog hatte ich unter dem 16.11. gerade Zimt als probates Mittel zur Absenkung des Blutzucker- und Cholesterinspiegels empfohlen.

Nachdem ich mich durch den Katalog der Schreckensnachrichten geklickt hatte, kam endlich die Entwarnung. Mein Atem wurde ruhiger: » In Ceylon-Zimt«, und genau den hatte ich empfohlen, » kommt Cumarin dagegen nur in Spuren vor: Ungefähr acht Milligramm pro Kilogramm sind enthalten, das entspricht 0,0008 Prozent. Wer selbst gern mit Zimt kocht oder backt, ist damit auf der sicheren Seite«. Der Spiegel schreibt weiter: »Mitunter muss man diese Zimtsorte im Handel suchen, manchmal lohnt sich der Gang ins Reformhaus«. Doch es geht noch viel einfacher, denn der Versender Amazon bietet den Ceylon–Zimt zu einem günstigen Preis an.

Alles gut? Nicht ganz. Heute fand ich in der Rheinischen Post auf der Seite »Gut leben« einen Beitrag der Düsseldorfer Hautärztin und Allergologin Gisela Hubbes unter der Überschrift »Allergie gegen Zimt«. Ein Leser hatte berichtet, dass er »um für weihnachtliche Stimmung zu sorgen« nicht nur eine, sondern auch gleich zwei Aromalampen gekauft habe und fährt fort: »Meine Frau liebt besonders ‚Winterwald ‚und ‚Schneegestöber‘, ich halte es mit ‚Zimtrinde‘. Sobald sich der Duft ausbreitet, bekomme ich Niesattacken und mir wird übel. Was kann die Ursache sein?“

Als Leserbrief–Onkel oder -Tante ist man natürlich gezwungen, auch den größten Unsinn ernst zu nehmen. Uns jedenfalls würde es schwerfallen, auf soviel Dummheit ironiefrei zu antworten. Nicht aber der Medizinfrau. Statt das Duftpaar zu fragen, ob sie nicht schon selbst auf die Idee gekommen wären, ihr Fläschchenarsenal einfach in den Müll zu werfen, breitet sie über zwei Spalten (Zeilenhonorar?) ihr gesamtes Zimtwissen aus. Das soll auch hier nicht unterschlagen werden: »Wenn täglich große Mengen zimthaltiger Lebensmittel verzehrt werden, wird der Höchstwert von 50 Milligramm pro Kilogramm Lebensmittel schnell erreicht. Beim Erwachsenen entspricht dies etwa einer Menge von 24 kleinen Zimtsternen«. Schon bei der Vorstellung, pro Tag eine solche Menge Kekse zu verzehren, wird uns auch ohne Zimt schon schlecht.

Von einer Differenzierung in unterschiedliche Zimtsorten findet sich in den Ausführungen der Medizinerin keine Spur. Vielleicht liegt ja der »Spiegel« in ihrem Wartezimmer aus. Dessen Lektüre kann jedenfalls im Zimtfall ein Fortbildungsseminar gut und gerne ersetzen.