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26.1.17 Manuka, Henles Coup

Beim Vertrieb von Manuka-Honig geht es um Gewinne wie im Drogengeschäft. Illegal sind sie nicht, aber vielleicht illegitim? Der Frage soll im Folgenden nachgegangen werden.

Am 14. Januar meldete SpiegelOnline, dass in den USA eine Rentnerin an einer Infektion gestorben ist, bei der alle 26 zugelassenen Antibiotika versagt hätten. Bei der Frau seien multiresistente Keime gefunden worden, denen gegenüber sich die vorhandenen Medikamente als unwirksam erwiesen hätten. Die Experten schlagen schon lange Alarm.

Einige „befürchten, die Welt bewege sich derzeit in ein post-antibiotisches Zeitalter, andere glauben, wir sind bereits mittendrin“, heißt es im Spiegel. Dabei gibt es durchaus Hoffnung, glaubt man jedenfalls den Erklärungen des Dresdner Lebensmittelchemikers Thomas Henle. Womöglich hätte die alte Dame in den USA eine Portion Manuka-Honig gerettet? Doch der Ruf des gebürtigen Bayern und quirligen Sachsen scheint den Sprung über den Atlantik noch nicht geschafft zu haben. Leider, muß man in dem Fall sagen: Der Lebensmittelexperte gibt sich sicher, mit seinen Mitarbeitern den Wirkstoff Methylglyoxal identifiziert zu haben, der in seinen Augen für die antibakterielle Wirkung des Wunder-Honigs namens Manuka aus Neuseeland verantwortlich ist.

Man fragt sich schon, worin Henles besonderes Interesse an dem Produkt aus der Südhalbkugel gründet. Bekanntlich ist Aufmerksamkeit der höchste Wert. In der kann sich Henle sonnen, denn es gibt kaum einen Bericht, in dem er nicht als Manuka-Honig-Autorität genannt wird. Manuka ist groß und Henle ist sein Prophet, könnte man seine Bemühungen auf den Punkt bringen. So wurden an seinem Institut bereits auch zwei Doktorandinnen promoviert. Beide haben den Manuka-Honig zum zentralen Inhalt. Es scheint nur noch ein kleiner Schritt bis zur Verleihung des Titels Manuka-Institut h.c.

Methylglyoxal soll es bringen
Henles Presseerklärung machte schnell die Runde . „Wir stellten uns dann die Frage, ob die hohen Gehalte an Methylglyoxal möglicherweise eine antibakterielle Wirkung haben könnten“ fragt rhetorisch der Institutsleiter Thomas Henle. Die Antwort hat er auch bereits parat: „Im Rahmen der vor kurzem abgeschlossenen Promotionsarbeit von Elvira Mavric konnten wir in Zusammenarbeit mit dem Institut für Mikrobiologie der TU Dresden diese Frage eindeutig beantworten“. Das Ergebnis lautet zweifelsfrei: „Die für die Manuka-Honige gemessenen Gehalte an Methylglyoxal sind unmittelbar für die antibakterielle Wirkung der Honige verantwortlich“. Doch deutet Henle vorsichtshalber – man kann ja nie wissen – auch noch eine andere Möglichkeit an; es könnte nämlich sein, „dass verschiedene agronomische Faktoren die antibakterielle Wirkung von Manuka-Honig beeinflussen können und damit nur unter bestimmten, jedoch nicht näher bekannten Bedingungen auch tatsächlich antibakterielle Honige produziert werden können“.

Also haben wir uns die Dissertation von Elvira Mavric angeschaut. Die Ergebnisse finden Sie in einem Exkurs am Ende dieser Seiten.

Zunächst formulierte es Thomas Henle in einer Presseerklärung noch im Konjunktiv, dass das gelbe Gold „sogar gegen antibiotikaresistente Bakterien wirken“ soll. Dann schreibt er sich in Fahrt, berichtet von der medizinischen Verwendbarkeit von Manuka-Honig, die durch „zahlreiche ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Publikationen“ bestätigt wurde, um dann definitiv festzustellen: „Bestimmte Sorten Manuka-Honig zeigten eine nachweislich stärkere antibakterielle Wirkung als alle anderen untersuchten Honige, wobei sogar antibotikaresistente Stämme von Staphylococcus aureus durch verdünnten Manuka Honig abgetötet wurdenmanuka-honig.biz.

Jetzt ist kein Halten mehr. Soja Flesch-Reiss hatte im Januar 2016 die Nachricht unter der knalligen Headline weltweit verbreitet: „Honig wirkt wo Antibiotika versagen – auch bei multiresistenten Keimen“. Dann fährt sie fort: „ Bei Methylglyoxal handelt es sich um einen antibakteriell, antibiotisch und antiseptisch wirkenden Stoff, der bereits im Nektar der Blüten des Manukastrauchs nachweislich entsteht, bevor er von den Bienen aufgenommen und auch in den Honig eingetragen wird“.
epochtimes.de
Eine kühne Behauptung, denn schon da tauchten erste Fragen auf. Es gibt Experten, die mit der Behauptung zitiert werden, dass Methylglyoxal nicht im Nektar des Manukastrauches enthalten sei. „Methylglyoxal entsteht in der Honigwabe durch Dehydratation des im Nektar der Blüten des Manukastrauchs enthaltenen Stoffes Dihydroxyaceton… Im Nektar selbst ist noch kein Methylglyoxal vorhanden“ zitiert Wikipedia neuseeländische Wissenschaftler

Sogar bei einem der größten Bewerber des Manuka-Honigs
naturinstitut.info
heißt es ganz ähnlich: „Der Nektar selbst enthält diesen Wirkstoff noch nicht, er entsteht erst nach der Aufnahme des Nektars durch die Honigbienen und auf dem Weg von der Pflanze zurück in die Bienenstöcke bzw. später im Bienenstock“.

Henle macht den Versuch, sich selbst in dieser Frage nach allen Seiten abzusichern. „Die Bienen scheinen nichts mit der heilenden Substanz zu tun zu haben“ zitiert ihn die ARD. „Methylglyoxal muss direkt aus dem Manuka-Teebaum stammen. Die Forscher vermuten, dass das Methylglyoxal in der Pflanze gebildet wird, abhängig von bestimmten Stresssituationen. Besonders wenn die Bäume sehr trocken stehen. Eine andere Möglichkeit wäre auch, dass Mikroorganismen, die in Symbiose mit den Pflanzen leben, Methylglyoxal bilden“.

Auch wenn uns die unterschiedlichen Angaben im Blick auf die Manuka-Story nur weiter skeptisch machen, mögen das in den Augen der Heilhonig-Experten noch zu klärende Nebensächlichkeiten sein. Entscheidend ist für Henle & Co. die überlegene und für sie eindeutig nachgewiesene Wirkung von Methylglyoxal.

Auf der Spur für die unterschiedlichen Abkürzungen von Methylglyoxal
Immer wieder begegnet man bei der Bewerbung des Manuka-Honigs dem Hinweis: „Achten Sie beim Kauf daher unbedingt auf die beiden geschützten Warenzeichen MGO+® und UMF®, diese Qualitätszeichen weisen nur den echten Manukahonig aus“. Dabei fällt uns die Abkürzung „MGO+®“ mit dem Hinweis auf, dass es sich hier um ein eingetragenes Warenzeichen handelt. Wer das erteilt hat und wo es Rechtsschutz genießt und wo nicht, wissen wir nicht. Gelesen aber haben wir, das lt. Wikipedia MGO die Abkürzung für Marine Gas Oil ist, die englischsprachige Bezeichnung für Marinedieselöl.

Thomas Henle und sein Institut benutzen durchgängig die Abkürzung MGO – und begeben sich damit in das Zwilicht von interessengeleiteten Wissenschaftlern und Zuarbeiter des neuseeländischen Manuka-Hypes. Zur Gegenprobe könnte man fragen, warum er denn nicht die – zumindest in der Deutschen Medizin – übliche Abkürzung – MG für Methylglyoxal verwendet? Henles Lebensmittelchemie aber agiert fern der wissenschaftlichen Medizin. Vielleicht, weil deren Ergebnisse ihn erheblich verunsichern könnten und ihn bei seiner Anpreisung von Methylglyoxal sehr, sehr vorsichtig machen sollten?

Gefährliche Nebenwirkungen von Methylglyoxal?
Doch lesen Sie selbst. klinikum.uni-heidelberg.de Zur Erinnerung vorab der Hinweis, dass es sich bei Methylglyoxal um ein Produkt des Zuckerabbaus handelt. Unter der Überschrift „Wie Zucker zu Schmerzen führt“ heißt es unter Hinweis auf einen Beitrag in „Nature Medicine: „Viele zuckerkranke Menschen leiden unter chronischen Schmerzen, besonders in den Waden und Füßen. Den Mechanismus der diabetischen Nervenerkrankung haben Wissenschaftler um Professor Dr. Angelika Bierhaus und Professor Dr. Peter P. Nawroth, Ärztlicher Direktor der Abeilung Innere Medizin I und Klinische Chemie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg, nun aufgeklärt: Das Stoffwechselprodukt Methylglyoxal, das beim Abbau von Zucker im Blut entsteht, bindet an schmerzleitende Nervenzellen und macht sie überempfindlich. Das Stoffwechselprodukt Methylglyoxal (MG) entsteht im Blut durch den Abbau des Zuckers Glucose – zwar besonders bei hohem Blutzuckerspiegel, bei Diabetikern, aber auch unabhängig davon“.
Genauso übrigens die renommierten Diabetes-Forscher von der Universität Düsseldorf: diabetes-heute.uni-duesseldorf.de

Höhere Gewinne durch untermischen von Methylglyoxal in Honig
Wir sind gegenüber Thomas Henles schon länger vorsichtig, um das Wort mißtrauisch zu vermeiden. Da schreibt er: „Dotiert man einen unwirksamen kommerziellen Waldhonig mit vergleichbaren Mengen an Methylglyoxal, so
kann für diesen eine entsprechende antibakterielle Wirkung induziert werden“. Auf gut Deutsch: „Rührt man unter einen unwirksamen…Waldhonig die vergleichbare Menge an Methylglyoxal, so kann diese eine entsprechende antibakterielle Wirkung bewirken“. Bei „kann“ assoziieren wir immer: Kann sein, kann auch nicht sein. Überhaupt drückt sich Henle nie so ganz klar aus. So heißt es im nächsten Satz „Methyglyoxal dürfte also das seit vielen Jahren gesuchte antibakterielle Prinzip von Manuka-Honig sein“. Warum wieder diese ärgerliche Einschränkung „dürfte“? Gerne wüßten wir auch, ob und gegenbenenfalls mit welcher Versuchsanordnung Henle entsprechende Experimente in seinem Labor durchgeführt hat. Wieviel Methylglyoxal hat er denn „dotiert“ und von welcher Menge an wird es gefährlich? Versuche im Labor wird ihm niemand verwehren wollen. Nur ein entsprechender Honig darf nach der deutschen Rechtsordnung nicht in „Verkehr gebracht werden“, denn die deutsche Honigverordnung untersagt die Beimischung von irgendwelchen Fremdstoffen. Was würde Henle eigentlich sagen, wenn z.B. deutsche Imker unter Hinweis auf seine Forschungen die Dinge selbst in die Hand nehmen?

Wir fragen weiter: Funktioniert Methyglyoxal nur in der Verbindung mit Honig oder wäre z.B. eine Zuckermischung ausreichend? Wenn sich die antibakterielle Wirkung nur in der Verbindung mit einem „eigentlich unwirksamen Waldhonig“ einstellt, dann muß eben doch in dem Honig durch die Tätigkeit der Bienen noch ein anderer Wirkungszusammenhang bestehen. Letzte Frage: Ist künstliches Methyglyoxal identisch mit dem von ihm analysierten Methyglyoxal im Manukahonig? Die Frage ist alles andere als kleinrariert (s.u.). Beispiel: Dextroenergen ist ein reines Traubenzuckerpräparat, das sich allerdings vom Traubenzucker (Glukose) im Honig und der Reaktion unseres Körpers darauf ganz klar unterscheidet.

Tipp für Henle: Was man noch alles machen könnte
Das alles muss nicht das Aus für derartige Versuche Henles bedeuten. Das Ziel könnte sein, ein ganz neues Antibiotikum zu entwickeln. Nur muß er sich da beeilen. Die deutsche Apothekerzeitschrift berichtet nämlich,
deutsche-apotheker-zeitung.de dass schon heute mancher Manuka-Honig aus Neuseeland „mit MGO, das als preiswerte Laborchemikalie zur Verfügung steht, versetzt (wird), um ein niederpreisiges Lebensmittel in ein hochwertiges ‚Naturarzneimittel‘ zu verwandeln“. Dass das Betrug ist und das Vertrauen in den Manuka-Honig weiter erodieren läßt, steht außer Frage. Doch weil hier das große Geld winkt, hat man das „entsprechende Verfahren … zum Patent angemeldet“. Und wie steht es – wir müssen die Frage hier wiederholen – überhaupt mit den Nebenwirkungen von künstlichem Methyglyoxal?

Für die Manipulationen aller Art bietet sich der sog. Kanuka-Honig an, der ebenfalls in Neuseeland erzeugt wird. Wer die Menge des hochpreisigen Manuka-Honigs durch Unter- und Beimischungen illegal steigern möchte muß in Rechnung stellen, dass man die Herkunft von Honig aufgrund der Pollenanalyse genau erkennen kann. Doch im Falle des Kanuka-Honigs läuft die Methode ins Leere. Der Kanuka-Baum wächst nämlich in unmittlbarer Nähe zur hochgejubelten Manuka-Myrte, blüht aber deutlich später. Will man reinen Manuka-Honig ernten, muß man den unmittelbar nach der Blüte schleudern. So weit so gut. Mischt man allerdings später unter den Manuka- den billigen Kanuka-Honig, und, wenn man schon mal beim Mischen ist, rührt man die preiswerte Laborchemikalie Methyglyoxal darunter, machen die Panscher einen guten Schnitt. Die Apotherzeitschrift hält fest: „Kanuka-Honig (von Kunzea ericoides) ist nach dieser Behandlung von Manuka-Honig (von Leptospermum scoparium) nicht zu unterscheiden, denn die sonst bei Honig übliche Pollenanalyse ist hier nicht anwendbar“.

Lebensmittelchemie reicht nicht, solide medizinische Forschungen müssen her
Doch zurück zu den behaupteten Wirkungen des Manuka Honigs. Geschenkt, denkt man, wenn ein ergrauter Heilpraktiker in Wanne- Eickel von denen raunen würde. Doch bei einem Lehrstuhlinhaber an einer namhaften deutschen Universität schaut man doch genauer hin. Als naive Beobachter der Manuka-Szene im Allgemeinen und der angeblich nachgewiesenen antibiotischen Wirkung des Honigs im Besonderen fragen wir uns, warum hat denn der Forscher nicht die Zulassung des Manuka-Honigs als Medikament beantragt? Wäre die erteilt, würden wenigstens alle deutschen Apotheker huldigend vor ihm in die Knie gehen.

Doch die Antwort ist einfach (blendet man einmal die Frage aus, ob man überhaupt ein Lebensmittel – und Honig ist eins – überhaupt als Medikament patentiert bekäme). Weil ihm als Lebensmittelchemiker und Nicht-Mediziner dafür die Kompetenz fehlt. Promoviert ist Thomas Henle als Dr. rer. nat, am Lehrstuhl für Milchwirtschaft. Habilitiert hat er sich als Dr.-Ing. habil. an der Technischen Universität München.

Bekanntlich müssen vor der Zulassung eines Medikamentes eine Reihe von Versuchen über die behauptete Wirkung des künftigen Heilmittels durchgeführt werden; über die sind dann genaue Unterlagen an die zuständige Behörde einzureichen. Dazu zählen unseres Wissen nach zunächst vergleichende Tierversuche. Zu den „Goldstandards“ aber gehören randomisierte Studien (RTCs) über die Wirkungsweise und Sichereiheit eins Medikamentes. Gerade in der Frage von Antibiotika gegen sog. resistente Keime sind die ganz sicher unerläßlich. Doch die gibt es nicht. Alle Versuche, von denen wir gelesen haben, wurden „in vitro“, also nur im Reagenzglas durchgeführt.

Bei differenzierten und korrekten Arzneimittelstudien müßte im übrigen auch der Placebo-Effekt herausgerechnet werden; das gehört zum Standardrepertoire bei der Erprobung von neuen Medikamenten. Einmal angenommen, auf Methylglyoxal läßt sich die Wirkung von Manuka-Honig eindeutig zurückführen, die vielen anderen Honigsorten fehlt: Könnten nicht z.B. die in deutschen Frühjahrs- und Sommertrachten (von anderen Sorten wie Honigtau, Waldhonig etc., die vor allem aus den Ausscheidungen von Läusen gewonnen werden, zu schweigen) enthaltenen sog. Inhibine, als die Gesamtzahl der entzündungshemmenden Faktoren, die gleiche, oder eine ähnlich starke Wirkung entfalten? Immerhin sind im Honig über 180 Komponenten enthalten. Changieren die jahrtausende alten, erfahrungsgesättigten Hinweise auf die entzündungshemmenden und antibiotischen Wirkungen des europäischen Honigs irgendwo zwischen Priesterbetrug, Massensuggestion und Selbstbetrug – mit der es endlich in Zeiten des Wunderhonigs aus Neuseeland vorbei ist? Wir folgen auch hier unserer angeborenen Skepsis. Als Kinder sagten wir flapsig: Wer’s glaubt wird selig, wer’s nicht glaubt kommt auch in Himmel.

Werbende Hinweis auf unbewiesene Heilwirkungen von Lebensmitteln sind rechtswidrig
Der Deutschlandfunk führte 2013 ein bemerkenswertes Interwiev mit Thomas Henle deutschlandfunk.de. In dem wiederholt er, was er immer & überall sagt, “daß Manuka-Honig antibakteriell wirksam ist“ und „wir… an der TU Dresden „konnten zeigen, daß eine Verbindung namens Methylglyoxal für diese antibakterielle Wirksamkeit verantwortlich ist.”

Doch dann wird der Manuka-Propagandist von der TU Dresden vorsichtig, weil er vermutlich die Rechtslage zumindest erahnt. Gefragt, was es dem Verbraucher bringe, wenn er z.B. täglich einen Löffel des hochpreisigen Lebensmittels zu sich nimmt, faßt ihn der Sender so zusammen „Es gebe zwar Studien, die andeuteten, daß Manuka zum Beispiel gegen schädliche Magenbakterien wirke; doch ob der Genuss des Honigs wirklich einen gesundheitlichen Zusatznutzen hat, sei wissenschaftlich noch nicht hinreichend belegt“.

Uns erinnern Henles Ausführungen einmal mehr an den Wettlauf zwischen Hase und Igel. Der ist bekanntlich immer zielführend unterwegs. Soll die gesundheitliche und speziell therapeutische Wirkung des Neuseeland-Honigs einerseits wissenschaftlich unterlegt werden, liefert er und seine Mitstreiterinnen die Argumente frei Haus; wenn man andererseits das Gefühl hat, sich mit seinen vollmundigen Behauptungen doch absichern zu müssen, um nicht in (wisenschaftlichen) Regress genommen zu werden, gibt er den zurückhaltenden Wissenschaftler („es sind noch weitere Forschungen nötig“).
Im Netz allerdings gibt es eine Fülle von Seiten, die eindeutig und ohne jede Einschränkubng auf die gesundheitliche Wirkung des Manuka-Honigs hinweisen.

Weil ein Internetauftritt es besonders dreist macht, soll hier näher auf den Komplex eingegangen werden. Da findet sich auch die Werbebotschaft: „Manuka-Honig ist vermutlich das vielseitigste und leckerste Antibiotikum überhaupt!“.
naturinstitut.info
Stellt man die gesundheitlichen Wirkungen des Manuka-Honigs in Rechnung, erscheinen die verlangten Preise (ein Versandhaus verlangt für 500 Gramm die stolze Summe von 94,- €) nicht unbedingt als zu hoch; kann er doch eine Reihe von Medikamenten ersetzen, die man sonst separat kaufen müßte.

Wie in einem Beipackzettel eines seriösen Arzneimittels lesen wir:

Äußerliche Anwendung:

  • Verletzungen, Wunden, Schnitte, Hautabschürfungen, Brandwunden, chronische Wunden, diabetisches Fußsyndrom
  • Hauterkrankungen, Schuppenflechte, Akne, Neurodermitis, Hautpilze (Mykosen), trockene und rissige Haut
  • Insektenstiche

Innerliche Anwendung:

  • Erkältungen, grippale Infekte, Schnupfen, Husten, Rachenentzündungen, Bronchitis, Nasennebenhöhlenentzündungen, Stirnhöhlenentzündungen
  • Blasenentzündung
  • Magenschleimhautentzündung, Magenverstimmung, Sodbrennen, Refluxkrankheit, Magengeschwüre, Speiseröhrenentzündungen
  • Darmentzündungen, Reizdarm, Colitis, Durchfall
  • Zahnfleischentzündungen: Parodontose, andere Entzündungen im Mundraum.

Doch man scheint zu spüren, dass man den Mund arg, vielleicht zu vollgenommen hat und möchte sich nun absichern :„Haftungsausschluss und allgemeiner Hinweis zu medizinischen Themen: Die hier dargestellten Inhalte dienen ausschließlich der neutralen Information und allgemeinen Weiterbildung. Sie stellen keine Empfehlung oder Bewerbung der beschriebenen oder erwähnten diagnostischen Methoden, Behandlungen oder Arzneimittel dar.“

Dieser klägliche Versuch einer Schadensbegrenzung wird allerdings nicht viel nützen. Denn das deutsche Recht ist hier völlig eindeutig. Geregelt wird das im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG). Das „definiert Lebensmittel als Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden“. Das gilt zweifelsohne für Honig . Daneben gibt es „Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden“. Ein Beispiel: „Rechtlich ist demnach ein Lebensmittel, das mit dem Hinweis z. B auf seine cholesterin-senkende Wirkung verkauft wird, gar kein Lebensmittel mehr, sondern ein Arzneimittel. Diese müssen aber klinisch auf Nebenwirkungen untersucht werden. Eine Prozedur, die man sich bei Lebensmitteln kaum vorstellen kann. Für Lebensmittel gilt außerdem das Verbot der gesundheitsbezogenen Werbung“.
nuernberg.de
gesetze-im-internet.de
Die §§17 und 18 LMBG sind für unseren Zusammenhang zentral. Es ist demnach „verboten Lebensmittel unter irreführenden Bezeichnungen und Beschreibungen in den Verkehr zu bringen.“ Die folgende Bestimmung legt hahe, dass es sich bei der überwiegenden und gesundheitsbezogenen Werbung für Manuka-Honig um eine grandiose Verbrauchertäuschung handelt: „Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn Lebensmitteln Wirkungen beigelegt werden, die ihnen nach Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind, wenn zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen …verwendet werden“.
Der § 18 verbietet eindeutig „ Werbung für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall
1. Aussagen, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen,
2. Hinweise auf ärztliche Empfehlungen oder ärztliche Gutachten,
3. Krankengeschichten oder Hinweise auf solche,
Lebensmittel dürfen auch nicht mit dem Anschein daherkommen ein Arzneimittel zu sein“.

Schlußendlich soll auch noch auf den § 53 des gleichen Gesetzes verwiesen werden. Darin heißt es unter der Überschrift Verbringungsverbote: „…mit Lebensmitteln verwechselbare Produkte, die nicht den im Inland geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen … dürfen nicht in das Inland verbracht werden“.

Das erscheint uns so eindeutig zu sein, dass der Import von Manuka Honig eigentlich zu untersagen ist, wo seine Beschreibungen und Werbehinweise gesundheitliche Wirkungen abheben. Das alles ist alles andere als eine akademische Frage, denn durch die Art und Weise der Manuka-Werbung erleiden die deutschen Honigproduzenten erhebliche finanzielle Nachteile. Was insbesondere für die vielen kleinen Bienenliebhaber und ehrlichen Verarkter seines eigenen Honigs bitter ist.

Exkurs zur Dissertation von Elvira(s.o.)
Für Nicht-Chemiker ist die Arbeit der aus Kragujevac stammenden Serbin ein schwerer Brocken. Der Bericht über ihre Laborversuche machen insgesamt einen soliden, fleißigen und gründlichen Eindruck. Sie läßt allerdings keinen Zweifel, wohin die aufwendige Reise gehen soll. Sie stellt nämlich fest, dass „der (Manuka-)Honig immer mehr Anwendung in der Medizin (findet)“. Pardon: Das ist Werbe-Prosa und gehört nicht in unvoreingenommene Dissertation. „Da von allen getesteten Bakterienstämmen S. aureus am empfindlichsten auf Inhibine reagiert“, führt sie diesen Ansatz weiter, „und eine Resistenz gegenüber vielen Antibiotika entwickelt hat, bieten sich der Honig und auf Honigbasis entwickelte Präparate zur Behandlung von S. aureus induzierten Infektionen an“.Sie weiß auch von Heilungen bei Tieren durch Manuka-Honig zu berichten. Er hilft „bei der Behandlung von Mastitis bei Kühen und Ziegen“. Dadurch konnten Antibiotika eingespart werden. Als Beleg verweist sie auf die Webseite (http://bio.waikato.ac.nz./honey).

Nach unserer Einschätzung überdehnt die Nicht-Medizinerin damit erheblich die für eine solche Aussage klaren Grenzen einer lebensmittel-technischen Laboruntersuchung. Wir vermuten deshalb, dass bereits vor Abfassung der Dissertation als Ergebnis feststand, die besonderen gesundheitlich Wirkungen des Manuka-Honigs herauszustellen.

Indizien dafür erkennen wir auch in der Auswahl der Honige für ihre Untersuchungen.In der Tabelle 3.7.2.1-1 listet die Autorin 72 Produkte unterschiedlicher Herkunft auf. Etwa zwei Drittel davon stammen vom Imkerverein Dresden, dem sie artig für deren Bereitstellung dankt. Weiter gibt es mehrere Honige von überregionalen Groß-Anbietern wie Aldi, Lidl und Langnese. Auch ein Kleehonig aus Kanada ist darunter.

Dann werden – wenn wir denn richtig gezählt haben – 5 Manuka-Honige und 8 weitere Honige aus Neuseeland aufgelistet. Das fällt auf. Für die eklatante Unausgewogenheit liefert Elvira Mavric keine Erklärung. Es fällt schwer, ihr – und damit vor allem ihrem Doktorvater – keine Voreingenommenheit zu unterstellen. Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Ausgangsthese war zweifelsohne, die Überlegenheit des neuseeländischen Manuka-Honigs herauszustellen.

Warum hat die Autorin, so fragen wir, keinen Honig aus den antiken Siedlungsgebieten der Helenen in Griechenland und der heutigen Türkei ausgewählt? Immerhin berichtet die Jung-Forscherin in ihrem historischen Rückblick selbst, dass bereits der Arzt Hippokrates Honig als Heilmittel eingesetzt hat. Und wir ergänzen, dass Homer in der Ilias besingt, dass die Wunden des Achill mit Honig behandelt wurden. Wir jedenfalls wüßten nur zu gerne, ob die antiken Behauptungen heute verifiziert werden können oder als unwissenschaftlich abgetan werden müssen. Anders ausgedrückt: Möglicherweise haben die Honige aus diesen Regionen eine Heilwirkung, die dem des Manuka-Honigs gleichkommt. Damit wäre ihr Alleinstellungsmerkmal, wie von den Dresdner Forschern unterstellt, womöglich nicht mehr haltbar. Was natürlich erhebliche Folgen für die Vermarktung des neuseeländischen Super-Produktes hätte.

Anfügen möchten wir noch, dass die Autorin „die Honigverordnung“ erwähnt bzw. zitiert. Allerdings fehlt das „Deutsche“ als Einschränkung dabei. Da fragen wir uns, gibt es in Neuseeland auch eine ähnlich Honigverordnung mit vergleichbaren restriktiven Bestimmungen, die z.B. Beifügungen und Untermischungen von Fremdstoffen verbieten?