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1.2.18 Bienensterben

Und wie isses mit dem Bienensterben? Ich vermute, der Frager weiß, dass ich Honig verkaufe, jedenfalls, wenn der nicht gerade ausgegangen ist. Vor ein paar Wochen fiel meine Antwort – kurz skizziert – so aus: 10 – 15 % der Völker gehen im Winter Jahr für Jahr aus den unterschiedlichsten Gründen ein. Wenn man an die Pestizide denkt, richten die in der Tat unter den Bienen erkennbare Schäden an, doch ganze Völker werden durch die verspitzten Gifte nicht vernichtet. Bienen leben im Sommer ohnehin nur ca. 40 Tage. Da zu unterscheiden, was normal und was auf das Konto einer cheminisierten Landwirtschaft geht, ist kaum möglich. Im Übrigen, so der Schluß meiner Standardantwort, nimmt die Menge der sog. Hobbyimker und damit auch die Zahl der Bienenvölker kontinuierlich zu. Jedenfalls in Deutschland.

Da ich das Interesse meines Besuchers für das Bienensterben eher gering einschätzte, brach ich hier ab. Ich mußte mir auf die Zunge beißen, um das Glyphosat-Faß nicht aufzumachen. Ein Trauerspiel, wie damit Bienen und überhaupt Insekten der Lebensraum weggespritzt wird.
Doch auch Imker tragen ihr gerüttelt Maß an Verantwortung für das Bienensterben. Möglicherweise in einer Größenordnung, die die Pestizide weit hinter sich läßt. Doch das scheint nach meiner Überzeugung ein Tabu-Thema zu sein.

An der Stelle muß von den Bienenschwärmen im Mai/Juni gesprochen werden. Die teilweise skurilen Bilder von ihnen kennt jeder, der sich auch nur am Rande für Bienen interessiert. Jedes Volk will bzw. muß schwärmen und sich so reproduzieren. Das gehört zu seinem evolutionären Erbe.

Nun kennen Imker allerlei Techniken zur Schwarmverhinderung, aber keine von ihnen ist sicher. Plötzlich geht dennoch ein Schwarm ab. Einige kann man einfangen, andere hängen so hoch in einem Baum, dass es lebensgefährlich wäre, sie von dort herunterzuholen. Dann gibt es Imker – es sind eher die größeren -, die lassen es darauf ankommen, weil sie keinerlei Interesse an dem Schwarm haben. Er macht ihnen schlicht zu viel Arbeit. Schließlich gibt es Imker, die ganz bewußt keinerlei Schwarmverhinderung betreiben. Vor zwei Jahren etwa fing ich einen Schwarm ein, der von einem Volk stammte, das auf einem Balkon lebte. Dessen Besitzer hatte es offensichtlich nicht einmal mitbekommen, dass zwischen 10 000 und 15 000 seiner Bienen das Weite gesucht hatten.

Die bittere Wahrheit ist, dass keiner dieser Schwärme auch nur den Funken einer Überlebenschance hat. So sieht Bienensterben in kaum geahnter Größenordnung aus. Hohle Bäume usw. gibt es nicht mehr. So sah ich einemal einen Schwarm, der seine Waben in der freien Natur an einen Baum gebaut hatte. Was in Indien klappt, kommt hier spätestens im nächsten Winter an sein frostiges Ende.

Eine weitere bittere Wahrhei: Es gibt in unseren Breiten keine wildlebenden Bienenvölker mehr. Wem das nicht die Tränen in die Augen treibt, leidet an einer schweren Form der Empfindungs-Beeinträchtigung. Alle freilebenden Bienenvölker wurden ausnahmslos von der Varroa-Milbe vernichtet. Stellen Sie sich einen Moment vor, in unseren Wäldern gäbe es keine Rehe mehr. Dann müsse man sie eben wieder ansiedeln, so die unverbesserlicehn Optimisten, wie andere ausgestorbene Tierarten eben auch. Doch als Voraussetzung dafür müßte vorher die Varroa-Milbe vernichtet werden. Doch danach sieht es gegenwärtig nicht aus.

Nun kann man fragen, warum von dieser Form des Bienensterbens kaum jemand spricht. Ich vermute, dass hier das kollektive schlechte Gewissen der Bienenforscher und Imker seinen Niederschlag findet. Denn auch das gehört zur bitteren Wahrheit: Die Varro-Milbe wurde bei uns nicht zufällig eingeschleppt, sondern kam, von niemand bemerkt, mit importierten Königinnen aus dem Osten zu uns. Man wollte durch Kreuzungen die Honigleistung der Bienen steigern. Irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen wurden in dem Zusammenhang nicht einmal erwogen. Als man das Unheil schließlich bemerkte, nahm die Katastrophe ihren Lauf.

Und was kann der Imker von heute, so der mögliche Einwand, für die Sünden seiner Vorgänger aus der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts? Mehr als der denkt. Theologisch könnte man von der unentrinnbaren Erbsünde oder dem peccatum originale sprechen. Wer das ablehnt muß sich dennoch der Verantwortung stellen und seinen Beitrag leisten, dass zumindest kein Bienen-Schwarm mehr seinem sicheren Tod überantwortet oder überlassen wird.

Denn das ist die nicht hintergehbare Wahrheit: Bienen können in unseren Breiten nur überleben, wenn Imker bei den ihnen anvertrauten Völkern das ganze Jahr über die tödlichen Parasiten bekämpfen.

„Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast” schrieb uns Antoine de Saint-Exupery ins Stammbuch.