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11.11.17 Phantasiereise

Meine Enkel würden sagen, dass A. einen totalentspannten Eindruck auf sie macht. Damit bringen sie eine treffliche Beobachtung auf den Punkt. Das ist umso erstaunlicher, als A. sein täglich Brot in einem harten Job verdienen muß. Er arbeitet, egal bei welchem Wetter, draußen. Wäre er Maurer, könnte er wenigstens bei Minustemperaturen zu Hause bleiben. Aber auch die Chance hat er nicht.

A’s. macht einen gleichbleibenden gelassenen, ja fröhlichen Eindruck. Ihn scheint nichts anhaben zu können. Inzwischen glaube ich den Grund dafür gefunden zu haben. Er erzählte mir einmal, dass er auf der Arbeit immer wieder an seine Bienen denkt. Wenn es für ihn ärgerlich wird, rüstet er nicht innerlich auf, sondern steigt regelrecht aus. Er stellt sich dann vor, so berichtete er, wie seine Bienen leben, wie er ein Volk öffnet, eine Wabe nach der anderen herauszieht und sie inspiziert. Dann verschließt er die Kiste sorgfältig und wendet sich dem nächsten zu. Auch hier schaute sich alles aufmerksam an. Das alles gewissermaßen in einer Endlosschleife. „Bienen sind Drogen“ wiederholte er sein Mantra.

Im Stressmanagement nennt man so etwas eine Fantasiereise. Vor Jahren musste ich einmal einen Mann für eine besondere medizinische Untersuchung trainieren. Er hatte einen Gehirntumor, an dem er schon einmal operiert wurde. Nun stand eine neue Untersuchung an. Für die MRT- Aufnahme musste er erneut in eine Röhre geschoben werden. Aus eigener Erfahrung wusste ich, dass die nicht nur eng ist, sondern dass es in der auch ziemlich laut zugeht. Selbst Kopfhörer entfalten da kaum eine dämpfende Wirkung.

Vor dem allen hatte mein Mann verständlicherweise erhebliche Angst – und die ist immer mit Stress verbunden. Ich fragte ihn, ob er einmal etwas besonders Schönes erlebt hat. Er berichtete von einer Urlaubsreise mit seiner Frau auf die griechische Insel Santorin. Da hätten sie abends auf der Dachterrasse des Hotels gestanden. Das sei wunderschön gewesen. Ich fragte ihn nach den näheren Einzelheiten. Besonders eindrücklich für ihn war der helle Sternhimmel über sich und unten die Wellen des Meeres, in einem immer gleichen Rhythmus gegen die Felsen schlugen. Ich forderte ihn auf, mir diese Bilder ganz genau zu beschreiben. Wie und wo er, wie und wo seine Frau steht und wie sie sich bewegen. Dann bat ich ihn alles noch einmal zu wiederholen, so, als ob er einen Videofilm drehen würde. Das tat er. Ich forderte ihn danach erneut auf, die Sequenz der Bilder noch einmal zu wiederholen und dabei ganz bewusst auszuatmen.

Wir haben dieses Training noch einmal wiederholt. Schließlich sagte ich ihm: »Wenn Sie in die Röhre geschoben werden schließen Sie Ihre Augen und schauen Sie sich Ihren Film an. Der ist so wunderschön, dass Sie ihn immer wieder abspulen können«. Später berichtete er, wie gut das geklappt habe. Er sei völlig ruhig gewesen und hätte die Untersuchung in der engen Röhre ohne jeden Stress in großer Ruhe hinter sich gebracht.

Schaffen Sie sich Bienen an! Dann geht alles wie von selbst.