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29.8.18 Umbau

Umbau lautet das Stichwort nach der großen Dürre. Der Umbau der Nutztierhaltung und der Ackerwirtschaft muß auf dem Hintergrund der massiven Schäden und Ernteausfälle des heißen Sommers endlich beginnen. Das fordern kundige Fachleute. Die alte Geschichte von den sieben fetten und den sieben mageren Jahre bekommt auf diesem Hintergrund eine ungeahnte Aktualität.

Private Gartenbesitzer, die meinen, sie ginge die Frage des Umbaus nichts an und sie könnten weitermachen wie bisher, befinden sich auf dem Holzweg. Der dramatische Rückgang von Bienen, Insekten und Vögeln in den letzten Jahren unterstreicht den Zwang zur Veränderung auch bei den privaten Landbesitzern.

Im Schweiße seines Angesichts gelang Günter der Umbau. Helfer gingen ihm wohl nicht zur Hand – jedenfalls soweit man das als Nachbar beobachten konnte. Günter brach störende Wände und alte Böden heraus, die einen stattlichen Container füllten. Alte Fenster ersetzte er; die neuen wirken großzügig und spiegeln den offenen Geist der Bewohner. Geht man abends an dem heimeligen Haus vorbei, kann man schon mal Gabi in der Küche werkeln sehen.

Das Haus in Teilen umzubauen legte sich nach dem Tod von Günters Vater nahe. Der betrieb nach der Umsiedlung aus dem Osten noch eine kleine Landwirdschaft. Nicht als Hobby sondern aus der puren Not geboren. Die Anbaufläche hinter dem Haus warf ab, was Mensch und Vieh zum Überleben nach dem verlorenen Krieg benötigten.

Irgendwann traten mit beginnendem Wirtschaftswunder ein paar schnuckelige Kaninchen an die Stelle von Fleisch liefernden Schweinen. Was man zum Leben brauchte, konnte man sich jetzt kaufen und mußte es nicht mehr selbst produzieren. Nur ein paar Hühner hielt Günters Familie noch aus nostalgischen Gründen. Eine ansehnliche Rasenfläche signalisierte Eigentümern wie Gästen des Hauses, dass man im relativen Luxus angekommen war. Im Prinzip hielt man es wie die englischen Lords mit ihren Rasenflächen. Man zeigte aller Welt, daß man es nicht mehr nötig hatte, Kartoffeln, Rüben und Getreide anzubauen.

Offensichtlich verspürte Günter keine Lust mehr, sich den stupiden Zwängen des wochenendlichen Rasemähens zu unterwerfen. Doch das war nicht der Hauptgrund, die Fläche hinter dem Haus einer neuen Bestimmung zuzuführen. In ökologisch dürftigen Zeiten beschloss er, einen weiteren Umbau zu managen. Er schuf eine Wildblumenwiese.

Jeder, der das schon mal versucht hat weiß, dass es mit dem Ausstreuen einer entsprechenden Samenmischung vom Discounter nicht getan ist. Auch Profis scheitern mit entsprechenden Umbauplänen. Guter Wille allein reicht eben nicht. Wovon auch die Stadt Meerbusch ein Lied singen kann.

Doch Günter war auch mit dem Umbau hinter dem Haus erfolgreich. Seine Wildblumenwiese zeigte sich im Frühsommer in ihrer ganzen Pracht. Bienen und andere Insekten fanden sich im Paradies wieder.

Vor allem, wenn sie wahrnehmen könnten, was um sie herum passiert. Vor den Häusern nahm die Quadratmeterzahl der tödlich verdichteten Böden zu. Hinter den Häusern setzt sich der Verlust des Lebensraums von Insekten und Vögeln durch die Bequemlichkeit liebende phantasielose Besitzbürger fort.

Was Bauern durch den Einsatz von Glyphosat für die Dauer von Wochen erreichen, gelingt dem Rasenbesitzer jetzt auf Dauer durch den Einsatz eines Mähroboters. Wobei sich der auch noch ins Fäustchen lachen könnten, wenn die Politik die Applikation von Glyphosat in privaten Gärten demnächst zu verbieten gedenkt. Sie haben das Zeug gar nicht nötig und können sich sogar weiter über die chemische Keule moralisch entrüsten.

Die Bauhaus-Werbung direkt vor der Tagesschau verschafft ihnen dazu das gute Gewissen. Alles grün, schön und heiter. Und immer ist irgendein Tier mit im Bild, um jede Assoziation mit einer toten Landschaft zu vermeiden. Ein Mähroboter namens Mähi, der an kindlich-fröhliche Leute mit der berühmten Endung auf i wie Jogi, Klinsi & Schweini denken lassen soll, macht als Hausfreund ganze Sache und befreit von lästiger Gartenarbeit.

Doch von denen, die das alles bezahlen müssen, hört und sieht man nichts mehr. Weil es sie schlicht nicht mehr gibt. Nicht nur der Frühling, sondern das ganze Jahr hindurch bleibt alles stumm & grün-steril. Die Angst, barfuß auf eine Biene zu treten muß niemand mehr haben. Weil es hier jedenfalls keine mehr gibt. Nicht einmal ein mickriges Gänseblümchen würde sie hierhin locken.