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17.12.17 Wilder Honig

Am 3. Adventssonntag, also heute, erinnern die Kirche an Johannes den Täufer. Mit Fug und Recht kann man ihn einen Radikalen nennen. Seine Botschaft: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe“. Davon predigte er nicht nur, sondern vermittelte sie durch den Ort seines Auftretens, sein Outfit (später mehr davon) und die Art, wie er sich ernährte. Jedenfalls nicht vegan, denn Heuschrecken und wilder Honig prägten seine kargen Mahlzeiten.

Womit das für unseren Zusammenhang entscheidende Keyword „wilder Honig“ gefallen ist. Wie die Bibel berichtet, gab es den im alten Palästina reichlich. Auch in den wüstenähnlichen Landstrichen herrschte eigentlich kein Mangel an ihm.

Die Einschränkung „eigentlich“ ist mit Absicht gewählt. Die wilden Bienen verhielten sich höchst aggressiv. Schon wenige Stiche der in Felsspalten, ja sogar in Tierkadavern lebenden Tiere, galten als tödlich. Also mußte man erst einmal zusehen, wie man an ihren Honig kam. Ob der Täufer über besondere Imkertechniken verfügte oder ob er irgendwelche Bezugsquellen hatte, bleibt im Dunkel. So oder so: Auf jeden Fall wußte man in biblischen Zeiten, wie man solch „wilden Honig“ erntete.

Schon immer fragte ich mich, warum nicht nur von Honig die Rede ist, sondern das Adjektiv „wild“ davor gesetzt wurde. Der Gegensatz zu seiner organisierten Bienenhaltung liegt da auf der Hand. Die Erklärung dafür ist jüngeren Datums. Sie wirft womöglich ein ganz neues Licht auf die Geschichte der Imkerei nicht nur in Israel sondern im vorderen Orient überhaupt.

Johannes der Täufer wirkte am unteren Jordanlauft, kurz vor dessen Einmündung ins Tote Meer. Am Oberlauf des Flusses fanden Archäologen eindeutige Überreste einer vorchristlichen Imkerei in Tel Rehov etwa aus der Zeit des Königs Salomo. In einem Pressetext der Hebräischen Universität heißt es dazu: „Das ist die älteste Imkerei, die bisher im Gebiet des gesamten Alten Orients ausgegraben worden ist“, so Prof. Amihai Mazar von der Hebräischen Universität Jerusalem.
Bei den Grabungen wurden die Überreste von über 30 Bienenstöcken in drei Reihen freigelegt. Die ursprüngliche Gesamtzahl schätzte man auf etwa 100 Stöcke. In den Überresten befanden sich Teile von Bienenkörpern und Wachsspuren. Wie man annimmt, „konnte aus diesen Bienenstöcken jährlich etwa eine halbe Tonne Honig gewonnen werden“, so Professor Mazar weiter. Mit Sicherheit kann man davon ausgehen, dass die Imkerei von Tel Rehov bestimmt nicht die einzige in Israel war.

Ob die dortigen Bienen auch so aggressiv waren wie die, die den „weilden Honig“ produzierten? Sehr wahrscheinlich nicht. Man vermutet, dass sanftere Bienen aus dem Gebiet der heutigen Türkei importiert wurden. Der Gedanke legt sich nahe, denn in Anatolien fand man 9000 Jahre Rückstände von Bienenwachs z.B. in Çatalhöyük und Çayönü Tepesi wurden, die auf eine dort verbreitete und organisierte Bienenzucht schließen lassen. Mehr zu diesen Überlegungen finden Sie in einem Beitrag der „Süddeutschen“ aus dem Jahre 2010.

Doch noch einmal kurz zurück u Johannes dem Täufer. Wir sagten es schon: Der Ort seines Auftreten, seine Kleidung aus Kamelhaar, seine Nahrung von Heuschrecken und wildem Honig unterstreichen das Zentrum seiner Botschaft: Zurück in die Wüste. Die Städter in Jerusalem lebten gottvergessen. War dort den Menschen Gott fern, wenn sie ihn nicht sogar für tot hielten, so wurden sie jetzt daran erinnert: Damals, in der Wüste, da war Gott seinem Volk unmittelbar nahe und umgekehrt dieses seinem Befreier aus der Knechtschaft am Nil und von den Fleischtöpfen Ägyptens. Deshalb: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe“. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Ein unverbindlicher Spaß war das alles nicht.

Auf dem Bild sehen Sie die zwei biblischen Johannisse: Links den Täufer und rechts den Evangelisten aus meiner alten Heimatkirche in Niemegk, Mark Brandenburg. Gemalt sie Gerhard Olbricht.