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21.4.19 Osterschwarm

Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht mit mehreren verdeckelten Weiselzellen. Schließlich hatte gerade erst der April begonnen. Das kann ja heiter werden, dachte ich und rechnete bald mit den ersten Schwärmen. Hoffentlich nicht von meinen Völkern, murmelte ich vor mich hin.

Ostersonntag erreichte mich während des Mittagessens ein Anruf aus Osterath. Vor ihrem Haus befinde sich ein großer Bienenschwarm. Um sicher zu gehen ließ ich ihn mir näher beschreiben, insbesondere auch seinen momentanen Ort. Das gewaltige würde sich in einem Lebensbaum ca. 3 m Höhe befinden, berichtete man mir.

Da gehst du kein Wagnis ein, sagte ich mir. Immerhin stürzte schon der eine oder andere jüngere Imker, obwohl jünger als ich, bei vergleichbaren Aktionen von der Leiter und kam zu Tode; andererseits, fängst du ihn nicht, sind all die Bienen unweigerlich zum Tode verurteilt, denn einen hohlen Baumstamm etc. sucht man in unserer dicht besiedelten Gegend vergeblich.

Also fuhr ich erst einmal mit dem PKW los, um mir die Geschichte anzusehen. Verständlicherweise waren die Anwohner der Einfamilienhäuser ziemlich aufgeregt. Wer einmal in seinem Leben einen solchen Bienenschwarm beim Anflug beobachtet hat, vergisst die kleine Sonnenfinsternis nie. Doch auch sonst von österlicher Stimmung keine Spur. Man hatte, so der Bericht der echauffierten Bürger, mit der Bitte um Hilfe bei der Feuerwehr angerufen. Doch die Wehrmänner erklärten sich für unzuständig und verlangten barsch, die Leitung für wirkliche Notfälle freizumachen. Unerhört, meinten die versammelten Bürger. Jeder habe schon mal einen schlechten Tag warf ich ein; jetzt sei ja Hilfe da.

Wirklich, da hing hoch oben in einem weitverzweigten Lebensbaum ein Ehrfurcht gebietender Schwarm. Nicht wie sonst lediglich an einem Ast, von dem man die Bienen nur in einen Eimer schütteln muss; in dem konkreten Fall hatten sich die Tiere wie eine dicke Manschette um den Ast gelegt.

Mir war klar, dass als erstes der Zugang von unten frei geschnitten werden musste. Da das nur mit einer Motorsäge zu bewerkstelligen war, fuhr ich schnell wieder nach Hause. Christian, der Freund meiner Enkeltochter, den Sie auf diesen Seiten bereits in anderem Zusammenhang sehen können, bot seine Begleitung & Unterstützung an. Auch jetzt erwies er sich als umsichtiger Helfer. Ein Mediziner würde davon sprechen, dass er sich zuerst einen Zugang legen muss. Ähnliches passierte hier, in dem von dem Lebensbaum jede Menge Seitenäste vorsichtig herausgesägt wurden. Dann konnte Christian. der auch die Fotos machte, die Leiter sicher an den Stamm stellen. Den Bienen schien das alles nicht zu stören.

Als ich loslegen wollte bemerkte ich, dass ich sowohl den 20 l-Eimer als auch das Absperrgitter in der Hektik zu Hause vergessen hatte. Also noch einmal zurück. Die Bienen ihrerseits schienen die Ruhe weg zu haben. Damit ist es gleich vorbei murmelte ich vor mich hin, als ich die Leiter mit dem Eimer hinauf stieg. Den hielt ich fest in der rechten Hand und mit der linken beförderte ich die Bienen mit einem kräftigen Stoß zur Seite hinein. Vorher hatte ich allerdings noch den Schwarm mit Wasser eingesprüht, um die Flugfähigkeit der Bienen zu minimieren.

Dennoch umgab mich jetzt eine Wolke von Bienen. Egal, schnell nach unten und das Absperrgitter darüber gelegt. Jetzt galt es zu warten. Befindet sich die Königin im Eimer, werden sich in und um ihn im Laufe der nächsten Zeit die Bienen sammeln. Falls nicht, werden sie wieder an ihren alten Standort zurückfliegen. Christian meldete vom Dach des Hauses, das er erklommen hatte, dass ich mindestens noch die Hälfte der Bienen im Baum befinden würden.
Alle beobachteten gespannt, in welche Richtung die Tiere jetzt fliegen: Eimer oder Baum. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Richtung feststand und die Bienen den Eimer regelrecht belagerten. Also musste sich die Königin darin befinden.

Inzwischen begann es schon zu dämmern. Wieder mussten wir nach Hause, um eine neue Bienenwohnung mit Futterwaben, Mittelwänden und Deckel zu holen. Inzwischen hatte sich alles in und um den Eimer beruhigt. Den packte ich jetzt mit einem beherzten Griff und kippte die Bienen in ihre neue Behausung. Die es nicht geschafft hatten, begaben sich in aller Seelenruhe über das weit geöffnete Flugloch hinein. In dem Moment, so dachte ich mir, müssen sie den unverwechselbaren Duft ihrer Königin als größte & schönste Verlockung empfinden: Endlich zu Hause.

Jetzt konnten Christian und ich entspannt nach Hause fahren. In der Nacht mußten wir nur noch einmal zurückkehren. Flugloch mit einem Schaumstoffstreifen verschließen, Spanngurt herumzurren und dann die Kiste in den Kofferraum des PKW stellen. Doch letzteres scheiterte an ein paar Zentimetern. Uns war‘s in dem Moment egal, denn in der Nacht würde kaum jemand bemerken, dass wir mit geöffnetem Kofferraumdeckel durch die Gegend fahren würden. Was sich auch als zutreffend erwies.