Blog

20.3.20 Hamstern I

Die Leute kaufen, so schrieb jemand im Netz, als ständen sie kurz vor einem Atomkrieg. Sollte es wirklich so sein, würde mich das auch nicht wundern. Ich erinnere mich, dass man in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts real mit einem Krieg zwischen West und Ost rechnete – und der wäre wahrscheinlich ein Atomkrieg geworden. Wenn Sie’s nicht glauben, googeln Sie mal Fulda Gap.

Im Hintergrund stand damals die durch Chruschtschow provozierte Berlin-Krise. Angesichts der Lageeinschätzung hatte die Bundesregierung eine »Aktion Eichhörnchen« initiiert. Die wurde in einer Endlosschleife mit dem Spruch beworben: »Denk daran, schaff Vorrat«. Der Satz hat sich wie mit Widerhaken in mir festgesetzt.

Es gab lange Listen, was man einlagern sollte etc. pp. Und inmitten der sich zuspitzenden Corona-Krise soll das alles vergessen und Ausdruck einer unsolidarischen Geisteshaltung sein? Verarschen kann ick mir alleene, sagt der Berliner.

Aus der Politik vernahm man dieser Tage: Wir befinden uns inmitten einer veritablen Krise, im Epizentrum einer Katastrophe oder sogar im Krieg (Macron). Wer nicht ganz mit dem Klammerbeutel gepudert ist – um noch einmal das Berliner Idiom zu bemühen – schaltet folgerichtig für sich selbst auf den entsprechenden Modus um. Ich jedenfalls habe es getan.

Das Gerede von den Hamsterkäufen ist billig und verräterisch. Billig, weil man sich an den lächerlichen Auswüchsen (Toilettenpapier für zehn Jahre) hochzieht; verräterisch, weil man so erklären kann, warum Regale plötzlich leer sind: Die Hamsterer haben Schuld!. Vor allem aber denunziert & diffamiert man Menschen bzw. schaut auf sie verächtlich herab. Ich erinnere mich noch deutlich: In der frühen DDR kam der drohende Unterton mit der Staatsgewalt dazu. Selbstironisch kann ich mich schon mal als Hamsterer bezeichnen.

In meinem Bücherregal befinden sich mehrere Bände zum Thema »Schwarmintelligenz«. Das spielte bereits vor Jahren in meinen Seminaren eine große Rolle. Danach wurde es breit ausgetreten. Es gab auch Fernsehsendungen etwa unter dem Titel »Das Wissen der Vielen«. Was ich jetzt als „Hamsterei“ erlebe, ist in meinen Augen nichts anderes eine solche »Schwarmintelligenz“. Die funktioniert ohne jedes Training. Man kann sie weder stoppen noch pushen,

Wie es in der gegenwärtigen Krise weitergeht weiß niemand. Was sich allerdings in meinen Augen abzeichnet ist, dass sie sich zuspitzen und über Monate andauern wird. Alles andere halte ich für unrealistisch.

Also versuche ich angesichts aller möglichen Szenarien mein Leben zu organisieren. „Organisieren“ überhaupt war der zentrale Begriff, der mich in als Kind nach dem Zweiten Weltkrieg in der frühen DDR prägte. Die Lage könnte ich auch als Organisierungsmodus bezeichnen.

In dem fand ich mich wie selbstverständlich dieser Tage wieder. Was habe ich gemacht? So viel eingekauft, dass ich eine Woche oder etwas länger keinen Supermarkt betreten muss. Weiter habe ich ein paar Säcke zusätzliches Hühnerfutter gekauft. So habe ich einer sich zuspitzenden Krise stets Hühnerfleisch und Eier.

Hamstern ist nicht notwendig, es ist alles ausreichend vorhanden – so verlautbarte die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf allen Kanälen. Vor die Wahl gestellt, ob ich dem glauben oder eher skeptisch bleiben soll, entscheide ich mich für letzteres. „Mit dem Wissen wächst der Zweifel“, wußte Goethe.

Da hatte der Gesundheitsminister allen über 60-jährigen empfohlen, sich gegen Pneumokokken impfen zu lassen. Als die Materialien auszugehen drohten, hatte er nur noch auf die 70-jährigen abgehoben.

Ärgerlicherweise hatte ich erst da von der Aktion etwas mitbekommen. Schnurstracks begab ich mich in die Apotheke und ließ mir eine Ampulle reservieren. Doch die Freude währte nur ein paar Stunden. Das erforderliche Rezept erwies sich nämlich als falsch. Über das hier verordnete Mittel verfügte die Apotheke nämlich gar nicht (mehr); nur noch das mit der geringeren Wirkungsbreite hatte man mir reserviert. Alles ausreichend vorhanden?

Mag ja alles so sein. Aber ich habe meine Lektion bei den vorratschaffenden Tieren wie Eichhörnchen Hamster und Bienen gelernt und den früheren Rat der Bundesregierung verinnerlicht: »Denk daran, schaff Vorrat an«

P.S. Gerade fand ich im Spiegel diesen Artikel, der meine Skepsis bestätigt

Mein Mantra nicht nur angesichts von Corona: „Ich habe es oft gesagt: Das ganze Unglück der Menschen kommt daher, daß sie nicht ruhig in einem Zimmer bleiben können. Blaise Pascal (1623 – 1662), französischer Philosoph, Naturwissenschaftler und Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung.