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26.10.20 Hornissendämmerung

Fünf Hornissenstiche können sogar ein Pferd töten hieß es. Gesehen habe ich in meinen Kindertagen nach dem großen Krieg nie eine Hornisse, tote Pferde dagegen schon. Die lagen nach dem Ende der Kämpfe im Sommer 1945 mit aufgedunsenen Bäuchen am Straßenrand. Das löste kaum mehr als ein trauriges Schulterzucken aus. Man hatte andere Sorgen. Doch die Hornissenangst blieb.

Bei jeder Wespe schaute ich genau hin, ob es sich nicht um ein solches todbringendes Insekt handelt. Inzwischen habe ich eine Vermutung über den Ursprung der Schauder auslösenden, kaum zu tilgenden Hornissenangst. Mehr davon im nächsten Blogeintrag.

Hornisse jagen und leben von Insekten. Zu deren Beutetieren zählen die artverwandten Wespen, Honig- und Wildbienen. Große Hornissen-Völker erbeuten täglich ein knappes Kilo von ihnen. Für ihre jungen Larven benötigen Hornissen ganz besonders eiweißreiches Futter.

Hornissen sind begnadete Jäger. Selbst aufmerksame Bienen schaffen es kaum, einer Hornissen in Lauerstellung vor Blütenständen zu entkommen. Hat sie mit ihren starken Mandibeln (Mundwerkzeuge) eine Biene gepackt ist die verloren. Eine Hornisse kann ihrem hochbeweglichen Stachel in jede Himmelsrichtung lenken, um so der Beute den Garaus zu machen.

Hornissen können auch bei nahezu vollständiger Dunkelheit jagen. Von einer besonderen Aggressivität kann jedoch bei ihnen keine Rede sein. Außerhalb ihres Nestbereiches flüchten Hornissen bei allfälligen Störungen grundsätzlich; man könnte sie, wenn man denn partout eine Metapher verwenden möchte, auch als feige bezeichnen. Ihnen also eine besondere Angriffslustigkeit zu unterstellen, belegt nur seine Faktenarmut und Emperiefreiheit.

Ähnlich wie bei allen anderen Wespenarten überlebt bei den Hornissen in der kalten Jahreszeit nur die Königin. Ihr Körper ist durch Glycerol gegen Frost hinreichend geschützt.

Im Frühjahr baut die Königin dann aus zerkauten Holzfasern ein neues Nest. Wer das Glück hat eins zu entdecken, sollte nicht panikartig einen Kammerjäger herbeitelefonieren, sondern sich freuen & das kunstvolle Gebilde schützen. Allerdings auch den inzwischen antrainierten Corona-Abstand halten

Bienen, um auf unsere Lieblingsinsekten zurückzukommen, haben außerhalb ihres Stockes keine Chance gegen Hornissen. Das Verhältnis kehrt sich aber um, wenn eine von ihnen an den Wächtern vorbei in den Bien gelangt ist. Sofort bildet sich ein ganzer Bienen-Pulk in mehreren Lagen um den Eindringling. Der Begriff »Schwitzkasten« würde die Sache genau treffen.

Denn jetzt erhöhen die Bienen durch Zittern mit den Muskeln ihre Körpertemperatur bis nahe an die 44°; alles was darüber hinausgehen würde, wäre für die Bienen selbst lebensgefährlich. Für die eingeschlossenen Hornissen dagegen bedeutet eine solche Temperatur den absoluten Tod.

Einen solch tödlich endenden Kampf bis zum Abtransport der Hornissen–Leiche hat der Fotograf Ingo Arndt in dem beeindruckend-schönen Band »Honigbienen. Geheimnisvolle Waldbewohner« mit nahezu sprachlos machenden Fotos dokumentiert. Es sei noch angefügt: die Texte für das Buch verfasste Jürgen Tautz. Erschienen ist es bei Knesebeck.

Sie besitzen den Band noch nicht? Das Manko sollten Sie umgehend beseitigen.