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23.3.18 Systemrelevant?

Bienen seien systemrelevant, erklärte die neue Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner in ihrer Vorstellungsrede im Bundestag. Der Begriff, einst modisch wie ein Opel Manta, wirkt heute arg angestaubt. Was noch nicht einmal das Schlimmste wäre.

Zur Zeit der Bankenkrise war „systemrelevant“ der Begriff der Stunde. Sie erinnern sich: Am 15. September 2008 ging Lehmann Brothers infolge der Finanzkrise bankrott. Ein Beben ging damals durch die Bankenwelt. In Folge der Insolvenz erlitten viele Anleger weltweit schmerzhafte Verluste. Danach dämmerte es den Politikern, dass es systemrelevante Banken gib. Die seinen too big to fail d.h. zu groß zum Scheitern, deshalb müsse der Staat gewissermaßen als rettender Gott einschreiten. Was auch die Bundesregierung mit der Commerzbank und Hypo Real Estate (HRE) unter dem Einsatz viele Milliarden Euro tat. Die Düsseldorfer IKB dagegen war so klein d.h. nicht systemrelevant, dass man sie mit einem Schulterzucken über die Wupper gehen ließ.

Fazit: Politiker entscheiden, was systemrelevant ist und was nicht. Nett, dass Frau Klöckner die Bienen unter diesen Begriff subsumiert. Allerdings wird im Umkehrschluß erkennbar, wer auf das rettende Label verzichten muß, also zu einer Art IKB der Insektenwelt zählt. Schmetterlinge etwa, genauso wie Blattläuse, Kohlweißlinge und Schlupfwespen. Also darf man sie wegspritzen wenn’s denn der Markt erfordert. Man kann halt nicht alle retten, oder? Mit den systemrelevanten habe man schon genug zu tun.

Einmal wach geworden, spürt man auf der Zunge auch das Gift des folgenden Satzes: “Wenn unsere Wissenschaftler mir sagen, dass Neonikotinoide zum Bienensterben führen, dann werde ich gemeinsam mit der Landwirtschaft und meinen europäischen Partnern eine Lösung finden”, sagte Klöckner in ihrer Regierungserklärung am Freitag im Bundestag. Was für Bienen schädlich sei, müsse “weg vom Markt – sonst sind irgendwann alle anderen weg vom Markt”. Julia Klöckner wählt für ihre Erklärung das Futurum. Sie verschiebt also die Lösungssuche in die Zukunft. Das ist der Trick, den man ihr nicht durchgehen lasssen sollte.

Was die Frau Landwirtschaftsministerin fordert, haben die Wissenschaftler der EFSA, also der offiziellen EU Behörde für Lebensmittelsicherheit, in den letzten Jahren bis zum Überdruß getan. Die einzigen, die das noch wider besseres Wissen bezweifeln, sind die Experten im Dienste von Bayer und anderen Konzernen sowie ihrem Gefolge. Es fällt nicht schwer, all die Figuren im Bremserhäuschen auszumachen.

Eine gemeinsame Lösung zu finden klingt immer gut, ist aber in der gegenwärtigen Situation ein fataler Ansatz, weil er eine längst fällige Entscheidung weiter verschiebt. Wenn der berühmte runde Tisch zur langen Bank mutiert, geht das Übel nur in die nächste Runde. Was sich als erkennbare Strategie von vielen Akteure erweist. Von Putin lernen heißt siegen lernen.

Als Imker verzichte gerne auf die Deklaration meiner Bienen als systemrelevant. Ihnen nützen keine zweifelhaften Begriffe, sondern nur der Schutz ihres Lebensraumes zusammen mit allen anderen Akteuren, sprich Insekten usw. Programme dafür gibt es reichlich. Sie müssen nur um- bzw. durchgesetzt werden. Da gilt es mal wieder die berühmten dicken Bretter zu bohren. Worin wir allerdings die ureigenste Aufgabe einer Ministerin sehen.