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15.1.17 Bio-Täuschung

Die Spuren meiner Lateinlehrer sind bei mir wenig ausgeprägt. Doch den Satz von Cato dem Älteren (234-149 v. Chr.) habe ich ausgeschlafen oder nicht ausgeschlafen, alkoholisiert oder nüchtern immer präsent: »Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ („Übrigens meine ich, dass Karthago zerstört werden muß“). Den wiederholte der begnadete Redner im römischen Senat gebetsmühlenartig – egal, ob es passte oder nicht. Schließlich wurde 150.v.Chr. die nordafrikanische Stadt dem Erdboden gleich gemacht.

Zu einem solchen ceterum censeo habe ich mich jetzt entschlossen. Das geht so: „Übrigens meine ich, dass die Möglichkeit der Bio–Zertifizierung für Honig abgeschafft werden muss“. Das werde ich solange wiederholen, bis die drei Buchstaben Bio von den Gläsern der Bienenprodukte verschwunden sind. Nicht, weil die Zertifizierung arg teuer und für den Klein-Imker kaum erschwinglich ist, sondern weil das Bio–Label auf dem Honigglas die Käufer einlullt.

Bio im Zusammenhang von Honig ist Verbrauchertäuschung. Wer Honig kauft erwartet, und zwar zu recht. dass ein Produkt unter diesem Vorzeichen frei von Gentechnik und Pestiziden ist. Doch sog. Bio- Honige unterscheiden sich im Wesentlichen in nichts von konventionellen Produkten. Die Zeitschrift Ökotest weiß längst: „Ein Honig, in dem Glyphosat und Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen stecken, kann problemlos als ‚Bio‘ gekennzeichnet werden“. Zitiert wird auch eine Fachfrau vom Deutschen Imkerbund (D.I.B): “Genaugenommen (ist) Bio-Honig eine Verbrauchertäuschung”.
Ökotest hatte im November letzten Jahres einen Honigtest mit durchwachsenen Ergebnissen veröffentlicht. Mehrere sog. Biohonige fielen wegen unterschiedlicher Belastungen auf & durch.
oekotest.de

Rückstände an Pestiziden

Die Tester scheint das nicht übermäßig verwundert zu haben. „Für Bio-Honig“, schreibt Ökotest, „gelten, was die Rückstände an Pestiziden …betrifft, genau die gleichen Höchstmengen wie für konventionellen Honig“. Alle Fachleute wissen das – und gehen zur Tagesordnung über. Einen Handlungsbedarf sehen sie nicht.

Gibt es denn nicht für Bio-Imker längst gewisse Auflagen? Ökotest markiert den Unterschied:“Bio-Imker (müssen) ihre Bienenstöcke an einem Ort aufstellen, an dem ‚im Umkreis von drei Kilometern um den Standort Nektar- und Pollentrachten im Wesentlichen aus ökologischen und/oder Kulturen bestehen, die nach Methoden mit geringer Umweltauswirkung behandelt werden“. Ökotest spottet: „Im Wesentlichen. Geringer. Soll heißen: Die Felder sollen mehr oder weniger bio sein, zumindest halt nicht so richtig gespritzt“. Nebulöser und schwammiger geht’s nicht. Wenn Sie, geneigter Leser. mehr zu dem Komplex erfahren möchten, schauen Sie sich auf diesen Seiten den Blog-Eintrag vom 13.10.2016 an.

Doch die Bio–Zertifizierer geben so schnell nicht auf. Immerhin geht es um viel Geld. Bio zielt primär nicht auf das Produkt selbst, so die PR-Strategie der Verbände, sondern bedeutet im Zusammenhang von Honig »aus ökologischer Bienenhaltung«. Klingt gut, die Kritiker verstummen und den Kunden beruhigt der Schriftzug auf seinem Honig-Glas. Doch beim näheren Hinsehen macht es die Sache keinen Deut besser. Da erfährt man: Bienen dürfen nur in Beuten aus natürlichen Rohstoffen wie Lehm, Stroh oder Holz gehalten werden; gefüttert soll vor dem Winter nur mit Bio–Zucker und und den Königinnen dürfen die Flügel nicht beschnitten werden. Womit wir die drei wesentlichen Punkte der ökologischen Bienenhaltung genannt haben. Warum Bienen nicht in Kunststoffbeuten gehalten werden dürfen (ich benutze keine, um das klarzustellen), die keinerlei Emissionen freisetzen, ist genauso wenig einleuchtend wie der Zwang zum Bio–Zucker. Der ist nämlich genauso ein Industrieerzeugnis wie der normale Haushaltszucker. Er unterscheidet sich in nichts – außer im Preis – von der Raffinade, die man beim Discounter kaufen kann. Bio-Zucker meint lediglich, dass die Rüben von Äckern stammen müssen, die „ökologisch“ bewirtschaftet wurden. Was allerdings auch da alles möglich ist, finden Sie auf diesen Seiten unter dem Titel „Koan Biozucker“.

Um noch einmal auf den Ökotest zurückzukommen: Vielleicht sehen das ja die dort versammelten Grünen alles zu eng? Zu meinem Erstaunen hat sich zu den Test-Ergebnissen nun ein Fachmann im angesehenen »Bienenjournal« geäußert:
bienenjournal.de
Dr. Werner von der Ohe ist ausgewiesener Honigfachmann und Leiter Leiter des Instituts für Bienenkunde in Celle. Das untersteht dem „Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit«. Der Mann ist also Vertreter einer staatlichen Aufsichtsbehörde. Was er sagt darf als amtlich gelten.
laves.niedersachsen.de
Beim Lesen hatte ich das Gefühl, von der Ohe meint sich rechtfertigen zu müssen. Er verweist darauf, dass nur zwei deutsche Honige getestet wurden. Der Honig-Fachmann moniert zunächst, dass die Ökotester besonders streng vorgegangen sind: » Probleme sieht Ökotest vor allem darin, dass in sechs Honigen Rückstände der Pflanzenschutzmittel Thiacloprid, Acetamiprid und Glyphosat gefunden wurden. In acht Honigen wiesen sie Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen nach. Fündig wurden sie zudem bei Rückständen von Varroa-Behandlungsmitteln. Schaut man sich die Prüfkriterien allerdings genau an, so gerät Honig durch die Untersuchung teilweise zu Unrecht in ein sehr schlechtes Licht«. Zu den strengen Testkriterien erklärt der niedersächsische Fachmann weiter: “Wurde in einem Honig etwas von den oben genannten Substanzen gefunden, führte dies auch bei nicht Überschreitung von Höchstmengen zu Abzügen bei der Bewertung“.

Dann geht er auf Einzelheiten ein. In seinen Augen sind das samt & sonders alte Kamellen. Deshalb gibt es auch keinen Grund zur Aufregung: „In allen getesteten Rapshonigen und in Robinienhonigen wurde Thiacloprid nachgewiesen, in zwei davon außerdem Acetamiprid. Dies verwundert nicht. Seit Jahren ist bekannt, dass in der Rapsblüte diese beiden Wirkstoffe sowie einige Fungizide eingesetzt werden. Präparate mit diesen Wirkstoffen haben die Auflage B4 ‘nicht bienengefährlich’ und dürfen daher während der Blüte angewandt werden. Die Applikation in die offene Blüte kann aber zu einer Kontamination des Nektars und somit zu Rückständen im Honig führen“. Sein Fazit: “Bisher lagen aber wohl sehr selten Überschreitungen der festgesetzten Höchstmengengrenze vor“.

Die Verharmlosungsstrategie von der Ohes zeigt sich auch angesichts der Problematik der Bio-Honige. Wir zitieren deshalb noch einmal aus dem „Bienenjournal“. Da heißt es „Dass Bio-Honige im Test besonders aufgefallen sind, erstaunt Werner von der Ohe nicht. Das sei einer Fehlinterpretation von Bio-Produkten geschuldet. In der Öko-Verordnung sei vor allem der Prozess der Imkerei geregelt und nicht die Tierhaltung an sich”. Das heißt doch im Klartext: Tester wie Kunden haben keine Ahnung; bevor sie herummeckern sollen sie erst einmal die Vorschriftensammlung gründlich studieren. Er selbst sorgt dann für eine weitere Verwirrung, in dem er erklärt, in der Vorschrift „sei vor allem der Prozess der Imkerei geregelt und nicht die Tierhaltung an sich“. Obwohl wir gerade erfahren haben, dass uns der Durchblick fehlt, wagen wir dennoch die Frage zustellen: Worin unterscheidet sich eigentlich jener ominöse „Prozess der Imkerei“ von der „Tierhaltung an sich“?

Der Käufer hat nach von der Ohe leider einen zu engen Horizont, denkt er doch vor “allem produktorientiert. Er erwartet von Bio-Produkten, dass diese keine Rückstände von Pflanzenschutzmitteln aufweisen‘, sagt er. ‚Diese Forderung sei nur bedingt von Bio-Honigen zu erfüllen, denn selbst bei guter Standortauswahl können blühende Flächen im Flugradius der Bienenvölker sein, von denen ein Eintrag von Pflanzenschutzmitteln möglich ist“.

Fehlinterpretation? Einen zu engen Horizont? Das heißt doch im Klartext: Der Kunde ist an seinen falschen Erwartungen selbst schuld. Als Leser reibt man sich die Augen und fragt sich, warum der Mann eigentlich nichts unternimmt, um die behaupteten Mißverständnisse abzustellen. Oder sind sie womöglich gewollt? Es gibt nur eine Erklärung: Der vom Staat besoldete Honigfachmann knickt vor den wirtschaftlichen Interessen der Verbände ein.