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15.1.18 Wundermittel?

Durchbruch in der Krebstherapie“ lauten immer mal wieder fetzige Überschriften. Da will irgendjemand einen ganz neuen Wirkstoff gegen die Geisel der Menschheit entdeckt haben. Natürlich ohne alle Nebenwirkungen. Betroffene klammern sich an solche Nachrichten wie der Ertrinkende an herumschwimmende Schiffsplanken. Sollte er noch ein paar Monate leben, kommt die Ernüchterung. Alles richtig, nur sind noch weitere Forschungen notwendig, um den neuen Wirkstoff jenseits der idealen Laborsituation auf seine Wirksamkeit zu testen, lautet die Vertröstungsstrategie.

Mich verblüfft immer wieder die Leichtgläubigkeit so vieler Zeitgenossen. Sie alle könnten’s eigentlich besser wissen, wenn sie sich an den alten Geheimrat hielten: „Mit dem Wissen wächst der Zweifel“.

Was für den Menschen die Geisel Krebs ist für Imker, Bienen und ihre Freunde seit den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts die Varroa-Milbe. Nun berichtet die renommierte Universität Hohenheim, sie habe per Zufall ein hochwirksames, einfach anzuwendendes und noch dazu sehr preiswertes Mittel gegen die Parasiten gefunden. Herz, was willst du mehr, entfährt es dem geplagten Imkerherz. Eine bekannte Agentur verbreitete die Nachricht zuerst und viele druckten sie nach. Auch hier.

Lithiumchlorid heißt das Wundermittel. Man kennt es aus der Therapie gegen Depressionen. Vielleicht sollte es auch der Imker für sich selbst vormerken, wenn bei ihm die Ernüchterung über das neue Wundermittel eingetreten sein wird. Jetzt, so hört man aus Hohenheim, seien nur noch ein paar Test über so sekundäre Frage wie die der Dosierung in der Futtermischung nötig, dann beginnt das neue Bienen-Zeitalter: Eine Welt ohne Varroa-Milbe.

Schaut man etwas genauer hin, erweist sich die Nachricht im Kern als gar nicht falsch. Man hat einen Kunstschwarm mit Lithiumchlorid behandelt. Alle auf den Bienen sitzenden Parasiten starben. Der Pferdefuß: In Kunstschwärmen gibt es keine Brut. Es handelt sich also um eine reine Laborsituation.

Ganz anders sieht es aus, so die ersten Kritiker, wenn Bienenbrut mit dem Wirkstoff in Kontakt kommt. Sie stirbt komplett. Einfacher und brutaler kann man es nicht ausdrücken.
Das Ende vom Lied wird sein: Die Uni Hohenheim muß sich nicht dem Vorwurf stellen, sie habe Fake News verbreitet. Und der Feld, Wald- und Wiesenimker wie unsereiner muß weiter zusehen, wie er im Laufe des Jahres die Milbenpopulation in seinen Völkern minimiert. That’s life.