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18.1.20 Bienengedichte

Enkeltochter Luise schenkte mir das wunderschöne Buch zum Geburtstag. Sie können Luise übrigens auch auf diesen Seiten sehen. Unter „Arbeiten“ hält Sie eine Wabe in der Hand. Da hatte sie gerade ihr medizinisches Staatsexamen erfolgreich abgeschlossen. Gegenwärtig nähert sich ihre Facharztausbildung zur Kardiologin dem Ende. Vielleicht unterbreitet ihr ja ein idyllischer Ort abseits der Ballungszentren ein Angebot, in der sie auch Bienen züchten könnte – immer vorausgesetzt sie reizt die Vorstellung.

Wie ich las, gibt es ja allerlei Bestrebungen, jungen Ärzten die ländliche Regionen schmackhaft zu machen. Wenn die sich für den Nachwuchs mehr á la France profonde aufhübschten und nicht nur auf die zweifelhafte Wirkung der Berliner Millionen schielten, könnte sich der Success bald einstellen.

Doch zurück zu den „schönsten Gedichten und Geschichten“ von Bienen. Als ich mit der Imkerei begann predigte man, dass die Bienen nach Schwein und Kuh das drittwichtigste Tier der Landwirtschaft seien. Die damit intendierte Bedeutungssteigerung gefiel mir damals. Heute bin ich allerdings fest davon überzeugt, dass Bienen nicht in diesen Zusammenhang gehören, der sie unter ferner liefen subsumiert.

Andersherum: Kennen Sie einen Band mit gesammelten Gedichten zu Kühen und Schweinen? Oder einen Nobelpreisträger für Literatur, der über die bäuerlichen Vierbeiner ein vielbeachtetes Werk geschrieben hat? Höchstens ein putziges Malbuch für den Nachwuchs. Sehnse, schon daran können Sie erkennen, dass die sechsbeinigen Nektarsammlerinnen in eine ganz andere, eigene Klasse bilden.

In dem Bienenband finden Sie als aufmerksame Leser dieser Seiten Texte, die Sie bereits kennen. Etwa Fontanes Ausführungen über Lehrer Krippenstapel und die Wirkung seiner Waben im „Stechlin“. Doch ich unterstelle, dass Ihnen genau wie mir ein besonders schönes Bienen-Gedicht von Karoline Friederike Louise Maximiliane von Günderrode bis zu diesem Tage unbekannt geblieben ist. Die verarmte Adlige kam am 11. Februar 1780 in eine sie ncht willkommen heißende Welt.

Unter der Überschrift „Wie die Bienen will ich schwärmen“ findet sich der erste Teil des Gedichtes auf Seite 42:

Einer nur und Einer dienen
Das ermüdet meine Seele.
Rosen nur und immer Rosen -
Andere Blumen blühen noch bunter;
Wie die Bienen will ich schwärmen
Mich in Trauben Gluth berauschen,
In der Lilie Weiß mich kühlen,
Ruhen in der Nacht der Büsche.

Das ist Romantik pur. Für die lebte und starb die begnadete Dichterin, die man schon im 19. Jahrhundert die „Sappho der Romantik“ nannte. Die DDR-Autorin Christa Wolf verfaßte einen genauen und einfühlsamen Essay über Karoline von Günderode und schrieb über sie die vielbeachtete Erzählung „Kein Ort. Nirgends“.

Die Radikalität, mit der Karoline ihre Gefühle auslebte, faszinierte ihre Zeitgenossen. Mit 26 Jahren stößt sie sich wegen verratner Liebe, chirurgisch exakt geplant, einen sich schon längst in ihrem Besitz befindlichen silbernen Dolch zwischen die 4. und 5. Rippe in die linke Herzkammer. Dazu ging sie bei Winkel (Rheingau) in den deutschen Strom. „Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglückseligkeit“, bekannte sie schon in einem Brief mit einundzwanzig Jahren. Und weiter. „Nur das Wilde, Große, Glänzende gefällt mir“.

Das soll an der Stelle genügen. Doch angefügt sei noch: Jeder, der das Gedicht auswendig vortragen kann, bekommt ein Glas TerroirHonig. Alternativ bekommt auch der seinen Honig, der hier im Hause den Kauf des Bandes glaubhaft nachweisen kann.

Nachtrag: Das Gedicht verfügt über einen 2. Teil, der jedoch nicht in dem Band abgedruckt ist. Den auch noch zu lernen fällt allerdings unter die Kür:
Wehe, wer mit engem Sinne
Einem, nur sich Einem weihet:
Schmachvoll rächt sich an dem Armen
Alles was er streng verschmähet!
Nicht zur Heimath wird die Weite,
Ungestaltet in die Ferne,
Aufgelöst in leeres Sehnen
Wird der Inhalt so des Lebens.
Schön ist was sich grenzt und g’nüget,
Treu um eines sich beweget
An dem Einen sich erneuet,
Wie des Pulses rege Schläge
Stets sich um das Herz bewegen,
Stets zum Herzen widerkehren
Stets am Herzen sich erneuen
Sich an seiner Gluth entzünden