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1.5.20 Gebet am Band

Was machen die denn hier? Schauen Sie mal auf die gefalteten Hände! Der oberste VW Chef und der niedersächsische Ministerpräsident beten. Nicht im stillen Kämmerlein, sondern am Wolfsburger Montageband unter den Augen von Pressefotografen.

Alles stimmt. Gebetsriemen sind in dem Fall verzichtbar. Die Corona-Vermummung reicht.

Gerne wüßten wir, was die beiden gebetet haben. Vielleicht haben sie andachtsmäßig vorher die Zeile aus dem Luther-Choral gesummt: „Mit unserer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren“? In ihrem Alter wäre denkbar, dass sie die protestantische Hymmne noch kennen.

Vielleicht haben sie sich aber auch nur an die Märchenoper erinnert, in der es vor dem Abendgebet heißt: „Wenn die Not aufs höchste steigt, Gott der Herr die Hand uns reicht!“ Für eher unmusikalische Manager langt das griffig-knappe „Not lehrt beten“. Ja, es ist schon schlimm, wie weit es mit dem bundesrpublikanischen Führungspersonal gekommen ist.

Da fällt einem nur noch ein uralt Witz ein. Das Kreuzfahrtschiff brennt. Die Mannschaft versucht zu löschen – vergeblich. In höchster Not läuft der Kapitän zum Bordgeistlichen: „Herr Pfarrer, wir können nur noch beten!“ Worauf der zurückfragt: „Wie, ist es schon so schlimm?“

Dass die glorreichen Zwei beten, daran lassen die gefalteten Hände keinerlei Zweifel. Doch ob ihr Adressat im Himmel residiert? Wir vermuten eher im Berliner Kanzlerinnenamt.

Bald werden wir wissen, ob ihr Gebet dort ein gnädiges Ohr gefunden hat. Könnten wir in’s andere zwei Worte flüstern, würden die lauten: “Lass es”.

Das Foto entstammt dem Wirtschaftsteil der FAZ vom 30.4.1920