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24.2.17 Vergiftetes Lob

Durch ständige Wiederholung wird das Argument auch nicht besser: Die Biene sei das drittwichtigste Tier der Landwirtschaft. Vor ihr rangieren nur Schwein und Rind. Und sogar noch vor dem Huhn, bemerkte neulich eine Imkerin; dabei sieht man ihren aufmerksamkeitsheischenden Zeigefinger förmlich vor sich.

Haben Sie das Argument schon mal von einem Bauern, Schweinezüchter oder Gemüseanbauer gehört? Leider Fehlanzeige, weil die nur ihr Marktsegment im Auge haben. Das Argument wird ausschließlich von Imkern verwendet. Aus deren Mund klingt es allerdings stark nach Anbiederei.

Bienen seien wichtig wegen ihrer Bestäubungsleistung – so kommt ein vergiftetes Lob daher. Die bewundernswerten Immen werden so zu einem bloßen Mittel degradiert. Man kann sie wie einen Acker pachten oder auf begrenzte Zeit mieten. Weil so unsere ganze Wirtschaft funktioniert verspürt niemand ein schlechtes Gewissen dabei.
Neulich bekam ich eine Mail von einem entfernten Verwandten, der schon lange in Kanada lebt. Wohl weil er wußte, dass ich imkere, schrieb er: „Wie sind die Bienenmengen bei Euch? Hier faehrt man die Bienenstoecke per Lastwagen an die Stellen, die gerade Bestaeubung brauchen und sucht krampfhaft nach einer Loesung fuer den Bienenverlust.“
Knapper lässt sich das Problem nicht beschreiben. Umgehend setzt der Abwehrreflex ein: Das sei ein typisches Problem der Nordamerikaner; die imkern eben anders als man es in unseren Breiten praktiziert. Riesige Sattelschlepper die über den halben Kontinent schippern, um hunderte von Bienenvölkern in riesigen Plantagen zur Bestäubung abzukippen, seien hier völlig undenkbar.

Das mag auf den ersten Blick richtig sein. Aber nicht, weil wir grundsätzlich anders mit Bienen umgehen, sondern nur, weil es bei uns keine vergleichbaren Plantagen in den entsprechenden Hektargrößen gibt. Ansonsten sind viele deutsche Imker coole Heuchler. Die besonders cleveren unter ihnen karren ihre Völker mit – zugegebenermaßen etwas kleineren – LKW genauso durch die Lande wie die gescholtenen Amis; nur nennen sie das euphemistisch “Wandern”. Immer noch soll es Zeitgenossen geben, die sich von diesem ökologischen Desaster durch einen romantisierenden Begriff Sand in die Augen streuen lassen.

Das Verständnis der Bienen als Bestäubungstiere vom Dienst ist kontinentübergreifend das gleiche (s.o). Die gehören zum Nutzvieh wie Rind, Schwein und Huhn. Genauso hat es die Schweiz jüngst festgeschrieben. Ein wahres Danaergeschenk.
Doch da gibt es die scheinbar unerklärlichen Bienenverluste. Im Trump-Country nennt man es Colony Collapse Disease (CCD), auf gut deutsch Bienenvolk-Kollaps. Der sprachlose Bienenbesitzer muß plötzlich feststellen, dass sich ganze Völker in Nichts aufgelöst haben.

Heerscharen von Wissenschaftlern und Fachinstitute ohne Zahl haben sich die Erforschung der Ursachen von CCD auf die Fahnen geschrieben. Ob sie fündig werden? Wir sind skeptisch. Jedenfalls so lange man nicht die komplexen Zusammenhänge in den Blick nimmt und weiterhin sein kleines Caro pflegt. Auch wir werden in einem der nächsten Blog-Einträge unseren Beitrag zur Erklärung des CCD-Phänomens leisten. Hier schon mal das Stichwort: Stress, genauer Dichtestress.

Dem falschen Handeln geht immer ein verkehrtes Denken voraus. Das kennt nur noch Nützlichkeitskategorien. Beispiele gefällig? Umgeben sind wir von „Ungeziefer“ und auf den Äckern gibt es jede Menge „Unkräuter“. Die werden weg- und totgespritzt. Die Bienen, die höchstens stechen, aber nicht schreien können, sehen das natürlich (!) ganz anders. Ihnen liefert z.B. der Klatschmohn den biologisch wirksamsten Pollen. Frage: Wann haben Sie das letzte Mal einen Acker mit rotem Klatschmohn gesehen, wie ihn die Impressionisten gemalt haben? Oder einen mit der blauben Kornblume, die mal für Romantik pur stand? Oder die Kornrade, eine wunderschön blühende, jedoch giftige Pflanze? Bis vor 50 Jahren zierte sie nahezu überall Ackerränder und Felder. Durch die modernen Unkrautvernichtungsmittel ist die Pflanze heute so selten geworden, dass man sie auf die rote Liste der bedrohten Arten setzte. Die Kornrade erklärte man sogar zur „Blume des Jahres 2003“, um an den Erhalt des Kulturgutes Ackerwildkräuter zu erinnern. Das gleiche gilt für das Adonisröschen. Was für ein perverser Irrsinn!

Blüten sind eine Erfindung der Pflanzen für die Bienen. Sie wollen ihnen gefallen und locken sie ab. Mit Nektar, den sie dosiert abgeben. Kommt jetzt unter unsere aller Augen die 100 Millionen Jahre währende Ko-Evolution zwischen Blüten und Honigbienen definitiv an ihr Ende? Es sieht sehr so aus. Bienen lassen sich nur sehr begrenzt zum Haus- und Nutztier wie Rind, Schwein und Huhn umfunktionieren. Sie bleiben im Kern wilde Tiere mit ganz eigenen Bedürfnissen. Um die zu befriedigen benötigen sie halbwegs blühende Landschaften.

Die Bienen sind ein Indikator für eine doch noch irgendwie funktionierende Umwelt. Vergleichbar den Forellen, die man in geklärten Abwassern hält. Wenigstens beobachten muß man sie.