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29.12.16 Fatale Prognose

Ein Freund von mir leidet seit einem Jahr an Hautkrebs. Bisher war er relativ guter Dinge, obwohl bei ihm das maligne Melanom, also die bösartige Form des Carzinoms, diagnostiziert worden war. Doch er wollte seine Krankheit besiegen. Er hatte von Fällen gelesen, in denen das durchaus gelungen sein sollte. Jetzt kam er deprimiert von einem Besuch in der Uniklinik zurück. Man hatte ihm mitgeteilt, dass sich seine Prognose deutlich verschlechtert habe.

Ich überwand mich und gab ihm nicht nur einen, sondern gleich drei Ratschläge. Natürlich kenne ich die Warnungen vor solch vermeintlichen Hilfen. Am besten gefällt mir der Satz des polnischen Satirikers Stanislaw J. Lec, »Immer wird es Eskimos geben, die den Eingeborenen von Belgisch-Kongo Verhaltensregeln für die Zeit der großen Hitze geben werden«. Sollte ich also lieber meinen Mund halten?

Als erstes«, begann ich, »möchte ich Dir den dringenden Rat geben, das Wort Prognose aus deinem Wortschatz zu streichen. Eine bessere oder schlechtere Prognose beruht in Deinem Fall auf dem statistischen Material der Ärzte. Sie können nur sagen, dass angesichts der Befunde deine Krankheit so und so verlaufen wird – aber eben nur statistisch gesehen. Der individuelle Fall kann davon immer abweichen. Kein Arzt verfügt über ein Vorwissen, eine Vorauskenntnis – und nichts anderes heißt übersetzt Prognose. Ein kluger Arzt sagte einmal: „Akzeptiere die Diagnose aber nicht die Prognose“. Die Warnung kann auch ironisch daherkommen: “Prognosen sind äußerst schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen”. Das Zitat wird immer mal wieder jemand anderen zugeschrieben, mal Mark Twain, mal Winston Churchill, und mal auch Kurt Tucholsky. Aber richtig ist es alle Mal.

Für mich sind Prognosen eine moderne Form der Kaffeesatzleserei, Wahrsagerei, Kartenlegerei, des Blicks in die Handlinien oder die Glaskugel. Nach christlichem Verständnis sind all diese Formen Sünde – in meinen Augen auch. Die schrecklichen Folgen von solchen Orakelsprüchen kann man sich am besten an der berühmten Ödipus-Geschichte klarmachen. Hier der Link dazu:
Link: Ödipus.com

Du kannst auch die Probe aufs Exempel machen. Welche Prognose haben eigentlich, was ihre Lebenserwartung angeht, dein Sohn und die beiden Töchter? Statistisch gesehen ist die äußerst günstig. Nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit wäre es daher äußerst unwahrscheinlich, dass nicht sie an deinem Grab stehen, sondern umgekehrt, Du eins von deinen Kindern beerdigen musst. Aber: Könntest du das wirklich und absolut ausschließen?

Zweiter Ratschlag: Folge der Empfehlung der Bergpredigt. Dort heißt es: Sorget nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib usw. Macht euch keinen Kopf um morgen… Jeder Tag hat seine eigene Plage (nach Matthäus 6)

Dritter Ratschlag: Trainiere dich in Dankbarkeit. Du weißt natürlich, dass ich einmal Pfarrer war. Doch der Tipp hat mit meiner früheren Tätigkeit nichts zu tun. Seit längerem durchforste ich regelmäßig das Netz zum Thema Stress. Unter dem Stichwort fand ich dieser Tage folgenden Link:
Link: Arbeitskreis-krankenversicherungen.de

Mach dir nichts vor: Entweder du machst es wie das berühmte Kaninchen und starrst auf die Schlange, sprich die medizinische Prognose deiner Krebserkrankung. Dann hast Du Stress ohne Ende. Ich empfehle Dir deshalb, die Webseite aufmerksam durchzusehen. Hier findest Du viele hilfreiche Informationen. Was die Dankbarkeit anbelangt, habe ich für dich folgenden Abschnitt herauskopiert:

»Die folgende Übung verhilft zu mehr Dankbarkeit und Achtsamkeit gegenüber den positiven Seiten des Alltags: Überlegen Sie jeden Abend, worüber Sie sich während des Tages gefreut haben und wofür Sie dankbar sein können. Sie können auch ein Tagebuch darüber führen. Dankbarkeit überstrahlt Selbstmitleid, Neid, Angst und Frustration – und damit die Wurzeln von negativem Stress. Sie ist die Grundlage für Zufriedenheit. Sie setzt positive Energien frei«.
Es ist alles andere als leicht den drei Ratschlägen zu folgen, noch dazu mit dem drohenden Schwert des malignen Melanoms über sich. Wenn du Alternativen siehst, vergiß sie. Erkennst du die nicht, versuch’s einfach.