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11.3.17 Krieg der Bienen

Im Krieg

So sieht Krieg aus. Anders lässt es sich nicht ausdrücken, was hier passiert
Der Imker schreibt zu seinem Video: „Fremde Bienen versuchen, mein Volk auszuräubern und werden abgewehrt“.

Bienen führen Kriege? Es scheint, als ob sich die Imker mit dem Begriff nicht anfreunden wollen. Deshalb sprechen sie lieber von Räuberei. Klingt irgendwie harmloser, lässt an ein Abenteuer denken, das dann aber auch bald vorbei ist. Das Bild von der friedfertigen Bienen ist weit verbreitet. Sanftmut rangiert bei den Zucht-Zielen ganz oben. Ein sog. Stechervolk möchte niemand haben. Sollte sich dennoch eins als aggressiv entpuppen, erfolgt in den allermeisten Fällen der Rat: Königin suchen, die böse abdrücken und eine neue einweiseln.

Bienen, menschlich gesehen

Bernd Heuvel, Naturfreund und Imkern vom Niederhein, verbreitet einen anderen Rat: „Ich habe sogenannte Stecher von einem anderen Imker in Pflege genommen. Die flogen einen schon auf 50 Meter an, ohne daß der Kasten geöffnet wurde. Allerdings können sich Bienen gut erinnern. Ich habe sie umgesiedelt und nach einiger Zeit wurden sie so versöhnlich, daß ich vor dem Flugloch sitzen und ihrem Treiben zuschauen konnte. Ohne Schleier“. Klingt idyllisch und in dem konkreten Fall auch durchaus glaubwürdig. Begnadete Bienenversteher gibt es zweifelsohne.

Ein anderer, auch er ein sehr erfahrener Bienenbeobachter, erklärt: „Bienen sind immer so sanftmütig wie Ihr eigener Imker!“ Für ihn gilt in Abwandlung der biblische Rat, der auch sonst in der Antike unter der Überschrift die „Goldene Regel“ weit verbreitet war: »Wie Ihr die Bienen behandelt, so behandeln Euch die Bienen!“

Erst hatten wir ein schlechtes Gewissen, weil unsere Bienen trotz aller Bemühungen dennoch stachen. Wie so oft, suchten wir dafür den Fehler bei uns. Schließlich machten wir unter all die gut gemeinten Hinweise einen Strich. Da steht jetzt der Satz Goethes: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. «

Da erinnerten wir uns an eine Bemerkung der berühmten Schimpansen.-Forscherin Jane Goodall. Die erklärte im fortgeschrittenen Alter: »Als ich damals nach Tansania ging, dachte ich noch, die Schimpansen seien die besseren Menschen. Umso schockierter war ich zu sehen, wie brutal sie sind. Wenn sie Messer und Gewehre hätten – sie würden sie benutzen wie wir. Wenn sie Krieg führen, geht es um territoriale Ansprüche, genau wie bei uns“.

Die ursprüngliche Funktion des Stachels

Ob man das cum grano salis auf unsere Bienen übertragen kann? Inzwischen sind wir mehr und mehr davon überzeugt und fragen uns, für irgendwas müssen ja die Bienen ihren Stachel haben. Ursprünglich nicht zum Stechen, lernten wir auf der Suche nach einer Erklärung. Was jetzt als Stachel daherkommt, war einst ein Legeorgan. In der Funktion benutzen das Organ die Schlupfwesten noch heute.

Da haben wir eins der schmucken Bienenhotels im Garten aufgestellt. In einem der Röhren befindet sich ein Insekt im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. In das sticht die Schlupfweste ein Loch, legt ihr Ei hinein und verschließt das Röhrchen. Eigentlich möchte man gar nicht so genau wissen, was in den nächsten Tagen passiert: Aus dem Ei entwickelt sich ein Made, die für ihre weitere Entwicklung besagtes Wirtstier von innen auffrißt.

Über den Bienen-Stachel

Die Erinnerung an diese ursprüngliche Funktion des Stachels als Legeorgan bewahren übrigens unsere Bienen. Die Drohnen haben keinen, weil sie als potentielle Partner der Königin keinen Stachel benötigen. Kämpfen müssen sie nicht. Das tun dagegen ihre Schwester mit ihrem Stachel. Der ist mit feinen Widerhaken versehen. Im Gegensatz zur weichen Haut der Säugetiere reißt der beim Stich gegen andere Insekten nicht ab. Nur muss die Biene genau die Stelle zwischen den einzelnen Panzerelementen treffen. Genau wie seinerzeit der Ritter hoch zu Roß seinen Spieß zwischen die Teile der Rüstung jagen mußte, um den Gegner tödlich zu treffen.

Die traurigen Opfer

Die toten Überfallopfer kann man besichtigen, wenn man den kläglichen Rest des Bienen-Volkes sieht. Manchmal ist auch die Königin dabei – ein weiterer Beleg dafür, dass es nicht nur um den Raub der Futtervorräte geht. So der so: Die Überlebenschance des Volkes tendiert gegen Null, wenn der Überfall nicht sehr schnell beendet werden kann. Das eine Mittel, die Verkleinerung des Fluglochs auf eine Bienenbreite, löst das Problem in den seltensten Fällen. Einmal dringen auch in den Spalt die fremden Bienen ein und zum anderen wird die Belagerung auch in den kommenden Tagen massiv vorgesetzt. Als effektiver erweist sich der schnelle Wechsel an einen anderen Standort.

Eine neuere Untersuchung

Kürzlich berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ über den Konflikt zwischen zwei Bienenvölker im australischen Busch
Auf der Walstatt zählte man am Ende tausende von Todesopfern. Das sei der “erste Beweis für Kriegsführung zwischen zwei Bienenarten”, schreiben Forscher im Fachblatt The American Naturalist (Bd. 184, 2014).

Die Journalisten aus München wollten nun wissen, ob es vergleichbare Kämpfe auch in unseren Breiten gibt. Honigbienen, vor allem europäische Arten, so erfuhren sie von einem ausgewiesenen Fachmann, “kämpfen eigentlich nicht gegeneinander, um ein gegnerisches Volk zu übernehmen”, so Werner von der Ohe vom Institut für Bienenkunde in Celle. “Nur Räuberei findet statt.” Vielleicht nicht, um ein Volk zu übernehmen, aber um es auszurauben und gleichzeitig zu vernichten? Wir meinen, Werner von der Ohe, schönt in dem Fall den Blick auf die liebenswerten Bienen.

Der nüchterne Blick

Wir dagegen wollen uns unseren nüchtern-kritischen Blick bewahren. Warum soll bei den Bienen nicht möglich sein, was bei vielen anderen Tierarten zum normalen Verhaltensrepertoire gehört? Nur der Imker muß sich fragen, ob der durch ein zu enges Aufstellen seiner Völker (Dichtestress!) diesen Prozess nicht noch zusätzlich fördert. Es bleibt dabei: Bienen lassen sich – und gerade deshalb faszinieren sie uns – nicht domestizieren. Das unterscheidet sie von Rindern, Schweinen und Hühnern, mit denen sie durch einen staatlichen Verwaltungsakt als Teil der Landwirtschaft zwangsvereinigt wurden.