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22.2.20 Hanau-Folgen

Haben Sie schon mal von Herostratos gehört? Schade. Hier nur so viel: Der Mann wollte, dass sein Name nicht vergessen wird. Um das zu erreichen, fackelte er im Jahre 356 v.Chr. den Tempel der Artemis im kleinasiatischen Ephesus ab. Immerhin war das eines der sieben antiken Weltwunder. Sein Ziel hat der Brandstifter erreicht; sein Name ist allen Kundigen bis heute präsent. Mehr finden Sie hier

Wenn Sie dieser Tage die Zeitungen durchblättern und ihm Internet die entsprechenden Seiten anklicken, erfahren Sie nahezu alles über den Mann, der in Hanau 11 Menschen ermordet hat. Von Herostratos existiert kein Bild, von dem Mörder aus Hanau gibt sogar ein Video. Man kann nahezu alles über ihn im Netz erfahen. So gehen wir allerdings ihm und seinen potentiellen Nacheiferern auf den Leim, an denen absolut nichts merk-würdig ist.

Das hätten wird von der klugen & weisen neuseeländischen Ministerpräsidentin Jacinda Arden bereits lernen können! Nach dem Terroranschlag auf Muslime in Christchurch am 15. März 2019 mit 51 Toten hatte sie sich entschieden, den Namen des Täters niemals auszusprechen. Damit löscht sie das Gedächtnis an ihn für alle Zeiten. Damnatio memoriae nannte man das in der Antike.

Doch es muß ja noch nicht zu spät sein. Wenn, ja wenn, Googel & Co. alle Erklärungen von und alle Verbindungen zu dem Namen des Verbrechers kappen und damit für alle Zeiten löschen. So, als hätte es ihn nie gegeben. Keine Regierungs- und Parteienerklärung, keine Zeitung, kein Twitter, kein Facebook usw. ihn je mehr erwähnt und es so auch keinen virtuellen Hyänen möglich wird, in seinem hinterbliebenen Abfall herumzuschnüffeln.

Nur diese zwei Nachrichten von heute auf den ersten Seiten der Zeitungen. Da berichtet die Süddeutsche von Überlegungen, ob der Täter von Hanau schuldfähig sei – wohlgemerkt der tote. Wer’s noch nicht wissen sollte: Gegen Tote gibt es keine Strafverfahren. Das aber wäre der Ort, wo allein über die Frage der Schuldfähigkeit entschieden wird. In der Bild lesen wir: „Der Terrorist Tobias Rathjen richtete ein Blutbad in Hanau an, tötete zehn Menschen. Bild analysiert das kranke Video-Manifest“. Geht’s noch möchte, man angesichts von solch sinnfreiem Geschwätz fragen. Jedes Wort davon ist eins zu viel.

Es ist u.E. völlig ausreichend, wenn die polizeilichen Ermittlunsgakten alle relevanten Daten über den Mörder für alle Zeiten festhalten. Immerhin: Das ist eines der hackergeschütztesten Orte der Republik.

Was ist jetzt praktisch zu tun? Das Haus des Mörders plattmachen geht in Deutschland nicht. Aber dafür zu sorgen, „…und seine Stätte kennt ihn nicht mehr“ (Psalm 103,16) sehr wohl. Wir wissen nicht, wie die Straße bis heute heißt, in der der Mörder wohnte. Interessiert uns auch nicht die Bohne. Allerdings sollte man umgehend die bisherigen Straßenschilder abmontieren. Ein Flashmob schaffte das um Handumdrehen. Und dann sehr bald an deren Stelle neue mit dem Namen eines der Ermordeten anbringen. „Ein Gedächtnis stiften“ (2. Mose 20,24) nennt das die Bibel. Dafür bedarf es natürlich eines Beschlusses der Stadt Hanau, der aber in dem Fall umgehend herbeigeführt werden sollte. Gespannt wie ein Flitzebogen wären wir in dem Fall auf das Abstimmungsverhalten der AfD.

Was wäre weiter zu tun? Am nächsten Freitag möglichst viele evangelische und katholische Gotteshäuser für einen islamischen Gottesdienst öffnen: سْمِ اللهِ الرَّحْمَنِ الرَّحِيم‏ (bismi el-lāhi er-raḥmeni er-raḥīm). Was für eine Geste wäre das: Unser Haus ist auch euer Haus. Nicht nur in Hanau. Das wäre ein Zechen, auf das so viele warten.

Was ist noch zu tun? Geängstigte und Verunsicherte müssen getröstet werden. Trösten ist in diesen Tagen erste Bürgerpflicht. Unterbleibt das, ist alles andere zu spät. Wie können sie, die Verstörten und Verängstigten, neues Vertrauen fassen? Wir müssen möglicherweise ganz neu lernen zu trösten. Bitte jetzt nicht überlegen, wie man Trost spenden kann. Das wäre nur peinlich.

Wie das in Hanau und andernorts geschehen kann? Erst denken, dann handeln empfiehlt sich immer. Trost und Vertrauen haben die gleiche sprachliche & sachliche Wurzel. „In God wie trust“ heißt es auf den amerikanischen Münzen. Wer trösten will muß überlegen, wie er dabei mitwirken kann, das Vertrauen wieder wächst. Auch Vertrauen zu einem Deutschland, in dem sich Türken & Kurden sicher fühlen. Nebenbei bemerkt: Das ist ist zum kleineren Teil Aufgabe der staatlichen Sicherheitsorgane.

Schlußendlich: Die Ergebnisse der weltweiten Trauma-Forschung im Blick auf die Angehörigen der Ermordeten praktisch werden lassen. Da ist als erstes die soziale Unterstützung. Ein möglicher Opferstatus ist dabei nur hinderlich, wie es auch weder Opferbetreuer noch Opferanwälte bedarf.

Soziale Unterstützung heißt, dass die Angehörigen Nähe und Unterstützung ihrer unmittelbaren und mittelbaren Umgebung erfahren & erleben; zu der nach unserem Verständnis auch die staatlichen Institutionen gehören. So und nur so kann ein neues Sicherheitsgefühl entstehen.

Aber, was rede & schreibe ich da. Das mag ja hier und da auch ganz gut sein. Ihnen aber wird darüber Besseres einfallen. Nur Mut! Sapere aude.