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22.2.17 Automatisiert handeln

Schmerzende Stiche
Es ist idiotisch. Wenn mich eine Biene gestochen hat, haue ich mit der flachen Hand auf die Stelle, treffe in der Regel auch das Tier und fühle mich irgendwie erleichtert. Idiotisch aber ist meine Reaktion allemal weil sie zu spät kommt und nichts mehr nützt. Beim Stich reißt der Hinterleib der Biene ab; ein zweites Mal kann sie gar nicht stechen. Im gleichen Atemzug tut es weh, richtig weh. Ich knurre Aua und, wenn mich die Biene auf die Glatze gestochen hat, rufe ich auch schon mal Scheiße. Da ich im Laufe meines Imkerdaseins wiederholt von stechenden Bienen traktiert wurde, reagiert mein Körper nicht mehr mit Schwellungen. Doch an den Schmerz gewöhnt man sich nicht.
Im Imkerkurs wurde ich belehrt, dass ich keine Chance habe, wenn mich eine Biene stechen will. Die sei immer schneller als ich. Hauen und Herumfuchteln könne ich mir also sparen. Klang irgendwie logisch. Also führe ich keinen Gebärdentanz auf, wenn mich die Bienen umfliegen. Aber ich schlage weiterhin sinnfrei zu, wenn mich eine gestochen hat. Wie gesagt: Das ist völlig überflüssig und ändert nichts mehr.

Für die kommende Saison habe ich mir vorgenommen mir das abzutrainieren. Dafür werde ich Techniken nutzen, die ich bei den Spezialeinheiten der Polizei gelernt habe. Doch davon mehr am Schluß. Um das alles wirklich verstehen zu können, müssen Sie sich einem längeren Kapitel aussetzen:

Grundsätzliches zu Gehirn und Stress
Zunächst möchte ich Ihnen erklären, warum ich bisher immer wieder so idiotisch reagiere. Dabei spielt – wie könnte es anders sein – das Gehirn die zentrale Rolle. Hier gibt es den Thalamus; der wird auch „Tor zum Bewußsein“ genannt. Das liegt außerhalb des Bereichs, in dem unser Bewußtsein selbst angesiedelt ist. Der Thalamus arbeitet voll automatisiert. Etwa wie ein modernes Briefzentrum der Bundespost; alle ordentlich frankierten Umschläge passieren in einem atemberaubenden Tempo die Kontrolle, doch der unzureihend freigemachte fliegt urplötzlich raus. Allerdings gibt es auch in den Regionen unseres Gehirns, die für solche Wahrnehmungsprozesse zuständig sind, eine Kanalkapazität. Pro Sekunde werden mehrere Millionen Bit an Daten durch den Thalamus geschleust und dort unbewußt bearbeitet. Mehr geht nicht. Das wirkt wie ein Überlaufventil in der Badewanne.

Der Thalamus besteht aus zwei taubeneier großen Bereichen. Hier treffen ständig Informationen aus dem Körper und den Sinnesorganen ein. Der Thalamus lenkt und verarbeitet die Datenströme. Die werden laufend geprüft ob eine Gefahr besteht bzw. ob alles o.k. ist. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Unser Gehirn ist kein Erkenntnis- sondern ein Überlebensorgan.

Alle diese Daten landen nach 25 msec in Bereichen, die unserem Bewußtsein zugänglich sind; also dort, wo wir prüfen und abwägen können, wo wir über einen bewußten Zugang zu dem verfügen, was wir gelernt haben usw. Unterm Strich also zu dem, was wir als unseren Verstand bezeichnen. Das ist der Cortex/Neocortex. Doch mit unserem Bewußtsein können wir lediglich 40 Bits pro Sekunden verarbeiten. Sie lesen richtig: 40. Wobei die Angaben mancher Forscher eher noch niedriger ausfallen. Die unbewussten, automatischen Prozesse in unserem Gehirn verlaufen in einer rasenden Geschwindigkeit; die bewussten dagegen, auf die wir doch so stolz sind, unerhört langsam.

Die automatisierte Stressschaltung
Alles bleibt ruhig, nichts passiert – bis das Signal (im Bild: der falsch frankierte Umschlag, s.o) erfolgt: Achtung, Gefahr. Bereits nach 12 msec landet die gleiche Datenmenge im sog. limbischen System. Das liegt wie ein Saum (limbos) unter dem Großhirn. Zu dem System, das eng mit dem Cortex verbunden ist, gehören der Thalamus, der Hippocampus („Seepferdchen“), die Amygdala (“Mandelkern“) usw. Im Gegensatz zu Gehirnstamm und dem Hypothalamus, deren Schaltkreise angeboren sind, enthält das limbische System sowohl angeborene als auch erworbene Schaltkreise. Hier sind auch alle antrainierten Verhaltensmuster (s.u.) angesiedelt.

Das limbische System bewertet alle eingehenden Informationen durch Gefühle. Die fünf verbreitetsten, so der Hirnforscher Antonio Damasio, sind Glück, Traurigkeit, Wut, Furcht und Ekel. Ähnlich wie Farbdrucke aus den drei Grundfarben Blau, Rot und Gelb zusammengesetzt seien, so bilden sich auch alle Empfindungsarten aus dem Material der fünf Universalgefühle.

Die beiden zentralen Regionen im limbischen System sind der Hippocampus und die Amygdala. Der Hippocampus ist für das explizite Gedächtnis zuständig ist. Hier sind die bewussten Erinnerungen enthalten. Die Amygdala wird von einigen Forschern als das implizite Gedächtnis bezeichnet. Beide Gedächtnis-Areale arbeiten parallel. Allerdings ist die Amygdala wesentlich älter und wird bereits im Säuglings-und Kleinkind-Alter geprägt und geformt, bevor der Hippocampus seine Erinnerungsarbeit aufnehmen kann. Das unbewusste Erinnerungssystem ist von unserem Langzeitgedächtnis getrennt.
Halten wir noch einmal fest: Die Grundstruktur unseres Gehirns ist nicht darauf ausgelegt, Erkenntnisse zu gewinnen. Gefahr oder nicht Gefahr, das ist hier allein die Frage. Nicht Denken, sondern Überleben ist die entscheidende Bezugsgröße. Die primären Universal-Gefühle, das ist ihr evolutionärer Sinn, lassen uns unmittelbar reagieren.
Automatisch lassen uns auf der nicht-bewussten Ebene unterschiedliche neuronale Netzwerke reagieren. Unwillkürlich im Wortsinn werden die eingehenden Signale abgeglichen. Die notwendigen Reaktionen erfolgen prompt. Die Gefühlsreaktionen lösen ihrerseits einen emotionalen Körperzustand aus.

Stellen Sie sich vor, Sie hören vom Tod eines guten Freundes. Ihr Herz beginnt wie wild zu schlagen, die Gegend um den Magen verkrampft sich, Hals-und Rückenmuskulatur versteifen sich, und in Ihrem Gesicht „steht die Trauer geschrieben“. Durch Muskelbewegungen bringen wir unsere Gefühle zum Ausdruck. Dauert der Zustand länger oder wiederholt er sich, werden die Falten tiefer und tiefer.

Über Emotionen
Neurophysiologen wie der Amerikaner Josef LeDoux, grenzen sich von manchen tonangebenden Psychologen ab. Er betrachtet „Emotionen als biologische Funktionen des Nervensystems“. LeDoux ist davon „überzeugt, dass es uns im Verständnis der Emotionen weiterbringt, wenn wir herausbekommen, wie sie im Gehirn präsentiert sind“. Damit hebt er sich „klar von dem verbreiteten Ansatz ab, der Emotionen als psychische Zustände auffasst, die von den zugrundeliegenden Hirnmechanismen unabhängig sind. Die psychologische Forschung hat gewiß äusserst wertvolle Erkenntnisse gebracht, doch der Ansatz, der Emotionen als Hirnfunktionen betrachtet, erklärt sehr viel mehr und vor allem genauer.

Allerdings ist der Begriff „Emotion“ lediglich ein Etikett und eine praktische Sprachregelung. LeDoux stellt fest, „dass das Wort ‚Emotion‘ nicht etwas bezeichnet, das der Geist bzw. das Gehirn tatsächlich hat oder tut“. Richtig dagegen ist, dass Tiere und Menschen bestimmte Bedingungen erfüllen müssen und „ihrem biologischen Imperativ folgen, um ihre Gene an ihre Nachkommen weiterzugeben“. Sie müssen zuallererst „Nahrung und Deckung (oder Obdach) finden, sich vor Körperverletzungen hüten und sich fortpflanzen“. Das gilt sowohl für Insekten als auch für Fische und schließlich auch für den Menschen. Alle haben ihr jeweiliges spezifisches neuronales System, mit dem sie diese Ziele erreichen können. „Das Gehirn“, so LeDoux verwirklicht seine Verhaltensziele ohne Beteiligung des Bewusstseins.“

Unsere Gefühle wie Furcht, Zorn, Ekel und Freude wirken wie mächtige Autopiloten. Sie steuern das Individuum durch ein Nebelmeer voller Gefahren. Der Autopilot lenkt, doch der Mensch glaubt, dass er den Steuerknüppel in der Hand hält und die Maschine mit seinem Willen lenkt. Im Klartext: Wir sind überzeugt, dass uns die Vernunft über Untiefen und Abgründe lotst. Welch ein grandioser Irrtum! Das durch die Evolution erworbene Navigationssystem kann sich in unserer hochkomplexen Umwelt sowohl als Segen wie als Fluch erweisen. Es kann uns wie weiland dem Piloten der Birgen-Airline vorgaukeln, wir würden mit hoher Geschwindigkeit steigen, während wir uns in Wahrheit mit abnehmendem Tempo dem Absturz nähern.

Die zentrale Schaltstelle des limbischen Systems ist die Amygdala. Sie steht in Verbindung mit dem vorderen Teil des Gyrus cinguli. Von hier aus werden über das autonome Nervensystem und die peripheren Nerven die entscheidenden Signale zum Körper geschickt. Die so entstandenen Veränderungen werden wiederum dem Gehirn über das Nervensystem zurückgemeldet. So erfährt es etwas über den emotionalen Zustand, in dem sich der Körper befindet. Die eintreffenden Signale lassen wiederum das Neurotransmitter- und Peptidsystem des limbischen Systems reagieren. Ziel aller Gehirnaktivitäten ist, den Körper in die Homöostase, einen lebensnotwendigen Gleichgewichtszustand, zu versetzen.
Man kann mit Fug und Recht die Amygdala als unser Furcht – und Angstgedächnis bezeichnen. In der Amygdala sind die Gefühlsanteile unserer Erlebnisse abgespeichert. Hier sind Erinnerungen und daraus resultierende Reaktionsformen abgespeichert, an deren Entstehung und Auslösung wir keine bewusste Erinnerung haben. In der Amygdala, so Le Doux, werden Erinnerungen „eingebrannt“. Solche unauslöschlichen Angstreflexe lassen sich nur schwer bearbeiten. Sie zu „löschen“ ist auch kaum möglich.

Bewertungen im Gehirn
Die Aufgabe des limbischen Systems im Zusammenspiel von explizitem und implizitem Gedächtnis besteht darin, alles zu bewerten, was das Gehirn gerade tut. Die Bewertung erfolgt nicht durch rationale Überlegungen, wie wir es gern hätten, sondern durch Gefühle. Nicht unser vielbeschworener Verstand, sondern Gefühle sind die Basis der Verhaltensarchitektur unseres Gehirns. Gefühle bewerten bestimmte Situationen, lange bevor wir sie überhaupt rational zur Kenntnis genommen, geschweige denn analysiert haben.

Das limbische System bewirkt – im Zweifelsfall blitzschnell – ein Verhalten, das den Organismus zum Überleben befähigt. Das verbirgt sich hinter dem Begriff „Stress“. Zu jedem Zeitpunkt wird, so der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth, die Frage beantwortet: „Was tue ich jetzt?“ Die Frage wird aufgrund abgespeicherter Erfahrungen blitzschnell beantwortet. Auch das Resultat dieser Bewertung wird im System des Gedächtnisses festgehalten. So bilden Bewertungs- und Gedächtnissystem eine untrennbare Einheit. Umgekehrt funktioniert das Gedächtnis nicht ohne Bewertung (Roth: „Die Einsicht bewirkt im Gehirn nichts“). Dabei spielt der Hypothalamus, der auf’s engste mit dem limbischen System verbunden ist, eine zentrale Rolle. Er steuert und reguliert unser inneres Milieu. Darunter stellen wir uns am besten „die Gesamtheit aller biochemischen Prozesse“ vor, „die zu einem gegebenen Zeitpunkt in einem Organismus stattfinden“ (Antonio Damasio).
Die Sprache hält die physischen Begleiterscheinungen unserer Angst auf Atmungs- und Herzfunktionen fest. Das Griechische „agchein“ meint „würgen, drosseln“; das Lateinische „angere“ ist mit „die Kehle zuschnüren“ zu übersetzen. Die Neurowissenschaften bringen für alte Erkenntnisse die neuesten Belege.

Die Stresskaskade
Wertet das Gehirn eine Situation als gefahrenträchtig, vollzieht es besagte Stress-Schaltung, um den Körper für die erforderliche Kampf- oder Fluchtreaktion durch eine chemische Aufrüstung fit zu machen. Der Hypothalamus sondert CRH (corticotropin releasing-factor) ab. Das wiederum führt in der Hypophyse, der Hirnanhangdrüse, zur Ausschüttung von ACTH (adrenocorticotropes Hormon, Kortikotropin). Dadurch wird die Stress-Kaskade im ganzen Körper ausgelöst. Doch die Hypophyse sondert weitere segensreiche Stoffe ab. Vor allem Endorphine Enkephaline. Man könnte sie als die körpereigene Betäubungssspritze bezeichnen.

Zur Stresskaskade gehört, dass die Nebennieren Glukocortikoide, zu denen das berühmte Stresshormon Cortisol gehört, freisetzen. Das Kraftpaket wird immer fester und fester geschnürt.

Bestimmt haben Sie schon mal von Eu- oder Dis-Stress gehört. Damit verhält es sich ähnlich, als wenn man vor „Marktwirtschaft“ etwa Wörter wie „sozial“ oder „sozialistisch“ setzt. Am besten vergessen Sie solche Unterscheidungen, weil sie nur Verwirrung stifteten. Stress ist Stress. Alles andere sind nachgeschobene Bewertungen, die unser Körper nicht kennt. Ihm ist nur die eine Stressreaktion geläufig. Die wird von unserem autonomen oder unwillkürlichen Nervensystem gesteuert, das auch für solche lebenswichtige Funktionen wie unseren Herzschlag zuständig ist.
Das autonome Nervensystem besteht aus zwei Teilen: Dem sympathischen und dem parasymphathischen Nervensystem. Das sympathische Nervensystem steuert das, was die Wissenschaft unseren Kampf-Flucht-Reflex nennt. Der Sympathicus, so sagt man in den USA, ist für die 4 F’s zuständig:

  • flight (Flucht)
  • fight (Kampf)
  • fright (Furcht)
  • … und sex.

Rettung ist möglich
Stellen Sie sich vor, der berühmte Neandertaler steht plötzlich einem Säbelzahntiger gegenüber. Sofort geht ein Signal vom Hirnstamm zum sympathischen Nervensystem, das diesem befiehlt, den Körper aufzurüsten und auf sofortiges Handeln vorzubereiten. Um entweder kämpfen oder fliehen zu können. Unsere Nebennieren beginnen Stresshormone auszustoßen. Sie lösen wiederum eine Kettenreaktion aus, die unseren Körper buchstäblich auf einen Kampf vorbereitet.
Insgesamt macht uns der Kampf-Flucht-Reflex für sofortiges Handeln fit. Er gibt uns den Energieschub, den wir brauchen, damit wir um unser Leben laufen, unser Revier verteidigen oder den Säbelzahntiger abwehren können. Dieser Mechanismus war sicher von großem Wert und ohne Einschränkung positiv, als wir noch Jäger und Sammler waren (in dem Stadium verbrachte der Homo sapiens 99% seiner Zeit auf dem blauen Planeten).

Das Durchstarten des Körpers diente einem nützlichen Zweck, es rettete Leben, und die ausgeschütteten Stresshormone wurden in diesem Prozess aufgebraucht. Deshalb bekommen Zebras auch keine Migräne, um auf einen berühmten Buchtitel von Robert M. Sapolsky anzuspielen. Das gestresste Tier kann mit langen Fluchten vor dem Löwen weglaufen, wird mit Wunden und Schmerzen fertig und kann gewaltige Strecken zurücklegen, um Wasser und Weidegrund zu finden. Ohne die Glukocortikoide wäre das Zebra genauso chancenlos wie der Neandertaler angesichts des Säbelzahntigers.

Wir können nur noch zur Kenntnis zu nehmen, wie in unserem Gehirn entschieden wurde & was jetzt passiert. Das empfinden wir natürlich nicht als besonders schmeichelhaft – zurückhaltend ausgedrückt. Schnörkelloser gesagt: als kränkend. Deshalb folgt sehr bald eine nachgeschobene Begründung, weshalb wir eben so und nicht anders gehandelt haben. Die Geschichte wird im Nachhinein rationalisiert – und simsalabim ist plötzlich alles wieder im allerschönsten Lot. „Die Gegenwart ist niemals anwesend. Unser Bewusstsein ist hoffnungslos verspätet“ erklärt der Hirnforscher Antonio Damasio.

Hier noch einmal zusammengefasst, was unter Stress in unserem Körper u.a. abläuft – und zwar immer in der gleichen Form:

* Puls und Blutdruck beschleunigen sich rasant. Das Herz pumpt zusätzlichen Sauerstoff und Glucose (Zucker) in die Blutbahn
  • Schweiß bildet sich zur Kühlung auf der Haut
  • Die Bronchien dehnen sich, die Atmung beschleunigt sich
  • Das Schmerzempfinden wir deutlich reduziert. Das Gehirn stößt körpereigene Endorphine/Morphine aus.
  • Pupillen weiten sich und fokussieren sich auf die Gefahr; die Umwelt wird ausgeblendet
  • Glycogen, in der Leber gespeichert, wird in Glucose umgewandelt und wird so als zusätzlicher Treibstoff den Muskeln zur Verfügung gestellt.
  • Die Nebennieren produzieren das Hormon Cortisol
  • Die Milz stößt vermehrt rote Blutkörperchen aus, die sie wie einen Schwamm gespeichert hatte; dadurch erfolgt ein weiterer Schub in der Energiezufuhr.
  • Die Immunabwehr wir heruntergefahren, da die für die momentane Aufrüstung des Körpers überflüssig & damit störend ist.
  • Die Blutgefäße in den großen Muskeln weiten sich zur gesteigerten Energiezufuhr
  • Der Gastro-Urinaltrakt wird herunterreguliert
  • Die Blutungsneigung nimmt ab; ein Blutgerinnungsfaktor wird generiert.
  • Die Haare richten sich auf („Gänsehaut“) um größer zu erscheinen.

Zwei Beispiele
Zusammenfassend zwei eher kleine Beispiele zur Wirkung und Funktionsweise von Stress: Wir arbeiten im Garten. Unser Gehirn prüft ständig inmitten der Datenströme die uns umgebenden Geräusche. Plötzlich gibt es einen gewaltigen Knall. Wir zucken zusammen und nehmen unwillkürlich (!) Deckung. Nach einer Weile richten wir uns wieder auf. Dabei sagen wir uns: Man kann ja nie wissen. – Eine Frau schaut aus ihrem Küchenfenster. Draußen spielt ihre kleine Tochter auf dem Bürgersteig der ruhigen Straße. Das Mädchen nähert sich einem parkenden Motorrad. Das kippt plötzlich um und fällt auf das Kind. Die Frau stürzt nach draußen, hebt mit einem Arm die Maschine hoch und zieht mit dem anderen ihre verletzte Tochter hervor. Glaubhaft? Später soll die Mutter zur Probe die Maschine bei der Polizei hochheben. Sie ist auch mit zwei Armen dazu nicht in der Lage.

Stress-Training der Spezialeinheiten
Womit wir, wie angekündigt, bei den Spezialeinheiten der Polizei wären. Bekommen die angesichts einer Geiselnahme den Befehl zum Zugriff, wird ein sog. Irritationskörper oder Two-Bang geworfen. Das klingt wie mehrere, gewaltige Explosionen; zusätzlich gibt es eine riesige Stichflamme. Im gleichen Moment erfolgt der Zugriff. Alles geht blitzschnell. Der Täter wird in aller Regel widerstandslos überwältigt; zur Gegenwehr ist er nicht in der Lage. In den meisten Fällen hat er, so hört man, im wahrsten Sinne des Wortes die Hosen voll. Auch das ist logisch und erklärlich: das Zebra erleichtert sich vor der Flucht, indem es automatisiert Blase und Darm entleert. So ist es ein paar Kilo leichter, was für die Flucht nur förderlich ist.

Wie machen die Beamten das, während wir Untrainierten nur nach Deckung suchen? Dafür bedarf es keiner besonderen Begabung, sondern eines intensiven Trainings. Eine einfache Tätigkeit, so habe ich gehört, muss etwa 300-mal trainiert werden, eine komplizierte um die 1000-mal. Dann sitzt sie und läuft vollautomatisch ab. Ein Beispiel: Magazinwechsel unter Beschuss. Der normale Streifenbeamte wird in einen Schusswaffengebrauch verwickelt. Das Schießen klappt. Im Zweifelsfall wird das ganze Magazin leergeschossen. Doch der Beamte ist nicht in der Lage, das leere Magazin gegen ein volles, dass er ja bei sich trägt, auszuwechseln. Daraus ist ihm kein Vorwurf zu machen, denn er hat den Ablauf, besagten Magazinwechsel unter Beschuss vorzunehmen, nicht trainiert.

Ganz anders der Angehörige einer Spezialeinheit. Der hat das wieder und wieder trainiert und beherrscht den Vorgang. Genauso, wie er wieder und wieder trainiert hat, während der Explosion des Two-Bang den Zugriff auf Befehl zu starten. Irgendwann hat der Körper das als bekannt abgespeichert; eine Stressreaktion erfolgt jetzt nicht mehr.

Im Training selbst kann der Beamte eine Technik einsetzen, um seine Puls- und Atemtätigkeit auf das normale Maß herunter zu regulieren. Das gelingt ausschließlich durch Ausatmen. Wirklich nur durch Ausatmen. Und das dreimal nacheinander. Immer wieder hört man, bei Stress solle man durchatmen. Probieren Sie es doch einfach mal aus, doch sie werden schnell merken, dass sie mit dem Einatmen Sauerstoff und damit Energie tanken. Womit sie die Stressreaktion nicht reduzieren, sondern im Gegenteil regelrecht anfeuern.

Auf meine Situation mit den Bienenstichen übertragen heißt das, ich muss als erstes konsequent ausatmen. Dreimal. Dann den Stachel herausziehen, um nicht weitere kampfeslustige Bienen anzulocken.

Jetzt muss ich nur noch auf günstige Trainingssituationen warten…

Demnächst mehr zum Thema Bienen und Stress