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13.10.16 Biotricksereien

In der Süddeutschen Zeitung fand ich am 2./3. Oktober unter der Überschrift »Grün, gesund und bürgerlich« eine Grafik mit allerlei Umfrageergebnissen. Dabei eine Liste mit dem, was zurzeit Out oder In ist. Unter dem »Was angesagt ist« finden sich an erster Stelle Bioprodukte. Wie schön, werden alle sagen, die auf eine gesunde Ernährung Wert legen. Zähneknirschend dagegen werden das die allermeisten deutschen Imker zur Kenntnis nehmen, denn der Markt ist für sie mit ihrem Produkt Honig praktisch verschlossen. Nicht grundsätzlich, könnte ein möglicher Einwand lauten, sie müssten sich eben nur zertifizieren lassen. Doch das ist eine Mischung von Hohn und Augenwischerei.
Man muss sich nur einmal die Größenordnung vorstellen: 96 % der bundesdeutschen Imker kümmern sich um 1-25 Bienenvölker. Für die allermeisten unter ihnen ist allerdings der Markt der Bioprodukte durch ein Kartell der Bio-Zertifizierungsunternehmen unerreichbar. Kleinimker scheitern schlicht und einfach an dem erheblichen Aufwand für die Zertifizierung und vor allem an deren immensen Kosten. Das, obwohl gerade die große Zahl der Hobbyimker das gesündeste und integerste Lebensmittel produziert, dass es auf dem Markt gibt.
Aber hinter dem Label Bio verbirgt sich auch vielfach eine bewusste Täuschung der Verbraucher. An dem Beispiel Honig kann man sich das gut klarmachen. Den folgenden Abschnitt fand ich auf einer Webseite der Bioimker. Er ist etwas länger, doch da er auf den Punkt bringt, wie der Verbraucher getäuscht und für dumm verkauft wird, sei er hier zitiert: »Vorneweg eine Klarstellung: wenn auch oft von ‚Bio-Honig‘ gesprochen wird (auch auf dieser Website), so ist doch dieser Begriff eigentlich nicht zulässig, denn der Bienenflug läßt sich nun mal nicht kontrollieren. Kein Bio-Imker, der nicht im Umkreis von mindestens 5 km (je nach Bienenrasse auch mehr) frei von konventionell-landwirtschaftlichen Flächen ist, kann mit Sicherheit sagen, daß sein Honig wirklich ein reines Bioprodukt ist. Es wäre deswegen besser, von „Honig aus ökologischer Bienenhaltung“ zu sprechen. Aber das ist ein Wortungetüm — „Bio-Honig“ ist einfach kürzer und griffiger«. Endlich hat es jemand aus der Branche mit brutaler Ehrlichkeit ausgesprochen. bioimkerhonig.de

Wie die Überprüfung von Bioimkern praktisch aussieht und welcher Zynismus da am Werk ist, können Sie in einem Chat des Imkerforums sehr schön nachlesen. Kann z.B. einmal Rapshonig wegen der Pestizidbelastung nicht als Bio durchgehen wird empfohlen, ihn einfach als »Frühjahrstracht« zu deklarieren und das dann auf das Etikett zu schreiben. Ein Imker wird mit dem Satz beruhigt: “ Neee…Rapshonig ist kein Problem. Die Beute muss auf dem Grünstreifen stehen, dann geht´s”. Aber lesen Sie selbst: imkerforum.de
Also dann »Ökologische Bienenhaltung«. Für die gibt es dann nach langwieriger Prüfung und erheblicher Zahlung eben das berühmte Bio–Siegel. Klingt irgendwie beruhigend, ist aber auch kaum mehr als ein dumm-dreistes Täuschungsmanöver (s.o.). Hier nur ein Beispiel: Bienen, so die Vorschrift der Bio-Zertifizierer, müssen in einer Holzkiste gehalten werden. Kunststoffbeuten dagegen sind untersagt. Warum eigentlich? Darauf bekommt man keine befriedigende Antwort. Ob Kunststoffbehausungen mehr Emissionen freisetzen als der selbstverständlich erlaubte Farbanstrich von Bienenbeuten? Wahrscheinlich würde die Antwort lauten: So fragen nur Querulanten.
Was den Bienenhalter vom Bio-Siegel ausschließt, ist allerdings bei Aldi & Co. gewöhnlicher Alltag. Nahezu alle Gebinde mit Bio–Obst bzw. Bio-Gemüse befinden sich in Plastik- bzw. Kunststoffschalen und sind noch dazu mit Plastik umwickelt. Was Plastiktüten in den Weltmeeren anrichten wissen wir inzwischen und verzichten zunehmend auf sie. Doch der Umwelt ist es egal, ob es eine Tüte oder ein Verpackungsteil aus den gleichen Material ist: Es wird Zeit, dass diese Heuchelei beendet wird. Gerade auch von denen, die ihren Öko-Wortschwall gar nicht mehr gebremst bekommen.
Für den Staat wäre es ein leichtes, der Masse der Hobbyimker unter den deutschen Honiganbietern grundsätzlich den Bio-Status einzuräumen. Im Gegenzug könnte er erwarten bzw. verlangen, dass die Imker auf ihrem Etikett mit ihrem Namen versichern, die Deutsche Honigverordnung in Geist und Buchstaben zu befolgen. Den Verbraucher wird’s nur freuen, weiß er doch jetzt, welch rundrum gesundes und ökologisch einmaliges Produkt er gekauft hat.