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2.2.17 Frühstück mit Honig

Be or not to be. Die Brexisters von der Insel liebten schon immer die kantigen Gegensätze. Einer von den brandneuen lautet: Breakfast or not Breakfast. Echt stark, oder bloß verrückt? Der britische Biochemiker Terence Kealey hat eine Streitschrift mit dem Titel „Breakfast is a Dangerous Meal“ auf den Markt katapultiert. Der Autor gibt darin den Propheten: „Dank meines Buches wird Frühstücken in zehn Jahren ebenso verrufen sein wie Rauchen.“

Verstehen kann man ja Terence Kealey. Alle Alarmsirenen schrillten bei ihm wegen überhöhter Zuckerwerte. Er entschied sich gegen den Rat seines Arztes, der ihm ein regelmäßiges Frühstück ans Herz gelegt hatte; er verweigerte nicht nur ham and eggs sondern auch Müsli usw. Durch den Verzicht auf die frühe Mahlzeit ging es ihm besser, sagt er jedenfalls. Den begründet er mit Verweis auf Studienergebnissen, die seiner Ansicht nach dafür sprechen, „dass die vermeintlich wichtigste Mahlzeit des Tages in Wahrheit dick und krank macht“.

Aber wehe, wehe, wenn ich auf die Folgen sehe, drängelt sich Wilhelm Buschs Mahnung in unser Bewußtsein. Ob die Damen und Herren Richter, um die es jetzt gehen soll, ebenfalls zu den Frühstücksverweigerer zählen?
Ausbaden müßten wir es. Unter dem 6. Januar brachte die „Süddeutsche Zeitung“ einen längeren Beitrag unter der Überschrift »Gnadenlos müde, schlechte Laune, knurrender Magen, warten auf die Mittagspause. Welche nebensächlichen Faktoren die Urteile von Richtern beeinflussen«. Dann geht‘s zur Sache. Wer am Montag nach der Zeitumstellung vor seinen Richtern erscheinen muss, hat Pech gehabt; da fallen die Urteile härter aus als gewöhnlich, offensichtlich weil eine Stunde Schlaf fehlt. Sozialwissenschaftler von der Universität Washington hatten in Abgleich mit vielen anderen Veröffentlichungen herausgefunden, dass sich Richter in ihren Urteilen »häufig von irrelevanten Faktoren beeinflussen (lassen), ohne sich dessen bewusst zu sein«. Dazu gehören vor allem Müdigkeit und Hunger.
Zentral aber ist ein fallender Blutzuckerspiegel. Der schränkt die kognitiven Fähigkeiten ein, weil der Organismus schon längst auf den Stressmodus umgeschaltet hat – lange bevor man es selbst gemerkt. Der Wunsch nach der Mittagspause wird übermächtig und blendet alles andere aus. »Eine Arbeitsgruppe um Shai Danziger von der israelischen Ben Gurion Universität hat einmal… Daten veröffentlicht, die sie als Beleg für eine Art Gnadenlosigkeit hungriger Richter interpretieren«. Untersucht wurde, wann Häftlinge vorzeitig entlassen oder ihre Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ergebnis: Wer früh dran war hatte Glück. Zu Beginn einer Sitzung konnten sich 65% der Häftlinge über ein mildes Urteil freuen. Doch je länger der Vormittag dauerte, umso härter fielen die Urteile aus. Gegen Mittag war die morgendliche Milde völlig verschwunden.

Der Beitrag in der „Süddeutschen« belegt, dass es bei Chefs wie Konsumenten ein ähnliches Verhaltensschema gibt. Prüfen Sie doch selbst, wann Ihre Kinder besonders die elterliche Strenge zu spüren bekommen. Gleichmäßig über den Tag verteilt oder eben doch wie bei den Richtern?

Der kribbelige Punkt ist, wie Chefs, Richter und Eltern aus der Stressfalle wegen eines sinkenden Blutzuckerspiegels herauskommen. Jetzt müssten eigentlich gefühlte 250000 Tipps und Ratschläge durcheinanderpurzeln. Doch kurzfristig hilft nur Honig. Sie lesen richtig: Honig. Am besten ein wohlschmeckender aus der Frühjahrstracht. Der verfügt über einen hohen Anteil an Traubenzucker. Mit dem gelangt der Blutzuckerspiegel zügig nach oben, aber hält ihn auch dort für eine längere Zeit stabil. Deshalb verspüren Sie auch keinen Heißhunger, wenn Sie ein bis zwei Teelöffel Honig gegessen haben. Ganz im Gegensatz zu dem berühmten Stück Schokolade, dass sie sofort nach dem nächsten greifen lässt.

Wir gönnen ja Terence Kealey durchaus seinen Erfolg auf dem Buchmarkt. Sein Ziel den Blutzuckerspiegel zu senken, hätte er locker auch ohne knurrenden Magen am späteren Vormittag erreicht. Es genügt morgens einen Apfel zu schneiden, einen gestrichenen Teelöffel Ceylon-Zimt darüber und über allem einen Esslöffel heimischen Honigs. Fertig. Zimt, um den Blutzuckerspiegel tendenziell zu senken; Honig, um den über einem längeren Zeitraum auf einer stabilen Höhe zu halten. Und wenn bei der Messung der Arzt trotzdem die Augenbrauen hochzieht? Holzhacken, Garten umgraben, Treppen rauf und runter springen, sich so bewegen, dass man einmal richtig außer Atem kommt. Aber jedenfalls nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen und das Frühstück für alle Übel dieser Welt verantwortlich machen.