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2.3.18 Putins Taktik

Unser bedrängter Landwirtschaftsminister konnte sich Anfang Dezember bei Plasbergs „Hart aber fair“ gerade noch mit der Erklärung retten: Wenn sich in der Efsa-Studie herausstellen würde, dass die Neonicotinoide schädlich seien, „dann müssen sie komplett verboten werden“.

Efsa, was? Hinter dem Kürzel verbirgt sich die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit mit Sitz in Parma. Die hat dieser Tage die Gefahr von Neonicotinoiden für Honig- und Wildbienen in einer neuen Risikobewertung bestätigt. “Die meisten Anwendungen neonicotinoider Pestizide stellen ein Risiko für Wild- und Honigbienen dar”, erklärte die Behörde. Dabei wiederholte sie nur, was das Institut bereits 2013 den Neonicotinoiden bescheinigt hatte.

Wir erlauben uns anzufügen: Minutiös hatte das auch der Neurobiologe Randolf Menzel in zahllosen Versuchen mit Bienen zweifelsfrei nachgewiesen (z.B. in: Die Intelligenz der Bienen, München 3. Aufl. 2016).

Unser wendiger Landwirtschaftsminister dagegen orientiert sich offensichtlich an Adenauers Maxime, was geht mich mein Geschwätz von gestern an. Angesichts der neuen Lage ließ er mitteilen, die Ergebnisse des Efsa-Berichts würden durch das Julius-Kühn-Institut geprüft, das in Braunschweig ein eigenes Institut für Bienenschutz unterhält. „Das Ergebnis dieser Prüfung wird in die deutsche Position für die entscheidungsrelevanten Sitzungen einfließen.“ Schmidt ließ erkennnen, dass eine weitere Beschränkung der bisherigen EU-Zulassungen für Neonicotinoide wahrscheinlich zu erwarten sei. Ob sein Haus dem allerdings zustimmt, werde das Ministerium „auf wissenschaftlicher Basis“ entscheiden. Doch für Schmidt selbst ist das Spiel bekanntlich aus, denn der neuen Regierung wird er nicht mehr angehören.

Bereits im Dezember 2013 wurde auf dem Hintergrund der EFSA-Studien der Einsatz von Neonicotinoiden EU-weit beschränkt. Doch die Liste mit allen möglichen Ausnahmen war ellenlang, nahezu unüberschaubar und erinnerte an einen löchrigen Eimer. 2016 hat die Efsa dann eine überarbeitete Version der Empfehlung veröffentlicht, auf deren Basis die EU-Kommission vor knapp einem Jahr ein komplettes Freiland-Verbot vorgeschlagen hatte.

Passiert ist seitdem nichts. Nun ist geplant, auf EU-Ebene am 22. März über den Vorschlag des Freiland-Verbots zu diskutieren. Ob dabei schon eine Entscheidung fällt, steht in den Sternen. Wir geben hier mal den Propheten: Es bleibt beim grunsätzlichen Freiland-Verbot, allerdings wird die Liste der Ausnahmeregelungen abgespeckt. Wobei alle Kundigen wissen: Effektiv wäre nur ein totales Verbot aller Neonicotinoide.

Der Giftproduzent Bayer erhebt bereits Einspruch gegen ein mögliches Verbot. Die Schlussfolgerungen stünden im Widerspruch zu anderen umfassenden wissenschaftlichen Beurteilungen zur Bienengesundheit, erklärte der Chemieriese. Auch die Hopfenbauern erhebend bereits klagend ihre Stimme vor dem Aus für ihr Lieblingsgift.

Uns erinnert das ganze Prozedere fatal an Putins Taktik nach dem Giftgaseinsatz vom August 2013 mit 1700 Toten in Syrien. Die Beweise waren erdrückend. Sogar den Namen von Assads Piloten, der das tötliche Gift abgeworfen hatte, kannte man. Doch Putins Leute in New York gaben sich unbeeindruckt. Sie verlangten weitere Untersuchungen. Als die mit allen Einzelheiten schließlich vorlagen, verhinderten die russsischen Diplomaten durch ihr Veto eine Verurteilung Assads; sie erklärten ungerührt, weitere Recherchen vor einer eventuellen Ahndung seien nötig.

Irgendwann verlief die Geschichte dann im nahöstlichen Wüstensand.