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8.2.17 Stress, so zeigt er sich

Jetzt ist Schluß sagte ich mir. Wiederholt hatten Brennnesseln vor meinem Bienenstand einen schmerzhaften Juckreiz ausgelöst. Mit einem Trimmer rückte ich dem Unkraut zu Leibe. Ich glaube eigentlich nicht, dass ich mit dem rotierenden Faden an die Paletten mit den Liebigbeuten gekommen bin. Egal. Plötzlich wurde es in den Fluglöchern schwarz. Im gleichen Moment fielen unzählige Bienen über mich her. Gegen das, was ist jetzt erlebte, waren die Brennnesseln ein Klacks. Ich warf den Trimmer weg und flüchtete.

Nach gefühlten 10 Minuten hatte ich reichlich Stacheln herausgezogen und mich halbwegs beruhigt. Vorsichtig ging ich zu den Bienen zurück. Dort herrschte ganz normaler Flugbetrieb. So, als ob nichts gewesen wäre. Jetzt wollte ich es ganau wissen. Mir war natürlich geläufig, dass die Bienen aggressiv werden, wenn man an ihrem Stock ruckelt. Um auf Nummer sicher zu gehen, schützte ich mich mit Schleier und Handschuhen. Ich warf den Trimmer an, und näherte mich zwei anderen Beuten auf dem gleichen Stand. 20 cm vor der Palette blieb ich mit laufendem Trimmer stehen. Wieder stürzten jede Menge Bienen mit einem aggressiven Ton auf mich, den man man nicht vergessen wird, wenn man ihn einmal gehört hat.

Was mich die Bienen erleben ließen war eine klassische Stressreaktion. Ausgelöst wurde die offensichtlich durch die Vibration des Bodens und des Geräuschs des Trimmers. Stress löst immer zwei Reaktionsformen aus: Flucht oder Angriff. Alle anderen sind jetzt bis zur Bewältigung der aktuellen Situation ausgeschlossen. Vom Menschen bzw. allen Säugetieren war mir das geläufig. Was sich hinter dem Namen Stress verbirgt, ist ein hochkompliziertes, immer gleich ablaufendes Überlebensprogramm, gesteuert wie von einem Autopiloten. Also willentlich nicht zu beeinflussen. Ohne das im Laufe der Evolution herausgebildete Verhaltensrepertoire gäbe es weder Bienen, Zebras noch Menschen.

„Survival of the fittest“ („der optimal Angepasste lautet die korrekte Übersetzung und nicht „der Stärkere siegt“) lautet ein Grundgesetz der Evolution. Wenn sich Bienen bei Vibration und Lärm aus ihrer Behausung stürzen, reagieren sie auf zwei der größten Gefahren für sie: Der Baum mit ihrer Höhle könnte stürzen oder ein Bär möchte sie ausrauben.

Gelernt hatte ich durch das Trimmer-Kapitel: Der Superorganismus Bien reagiert grundsätzlich genauso wie alle Säugetiere auf Gefahren aller Art. Oder der Begriff Stress wäre im Blick auf die Bienen nicht verwendbar und deshalb in dem Zusammenhang unbrauchbar. Was m.W. niemand ernsthaft tut. Im Gegenteil. So brachte Zeitschrift „Test“ in der Ausgabe 8/2013 einen Betrag zum „massenhaften Bienensterben der Bienen in Deutschland“. Darin wird der Bienenforscher Jürgen Tautz von der Universität Würzburg so zitiert: „Sind die Bienen durch Nahrungsmangel und Pestizide erst einmal geschwächt, kommt Ihr Immunsystem nicht mehr an gegen Viren, Pilze, Bakterien und Parasiten« – was beim Menschen haargenauso abläuft. Das, so der Würzburger Forscher, sei seit 2002 zu beobachten.

Tautz versteht den Bien als „Säugetier mit vielen Körpern“ und nennt ihn deshalb auch„Säugetier ehrenhalber“; viele seiner Abläufe kann man nur verstehen, wenn man ihn als Säugetier begreift.. Dazu gehört dann logischerweise auch das Kapitel Stress. In dem wiederum beschäftigt sich ein Unterabschnitt mit der Schwächung des Immunsystems. Hier nur noch so viel: Stress bewirkt vollautomatisch (s.Bild), dass bestimmte System hoch– und andere heruntergefahren werden. Hochgefahren wird alles, was im Moment zum Überleben benötigt wird, heruntergefahren wird alles, was im Moment verzichtbar ist. Wie z.B. die Immunabwehr.

Demnächst mehr.