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22.3.17 Judenprobe

Lesen Sie bitte zunächst nicht weiter und schauen Sie sich das Foto an. Sie sehen links neben meinem Schlüsselbund ein Teil aus Edelstahl. Erkennen Sie dessen Funktion? Wenn ja, haben Sie die Judenprobe bestanden. Falls nicht, sind Sie durchgefallen.

Nun zur Auflösung. Neulich erschien bei mir ein Paar um Honig zu kaufen. Sie sprach Deutsch mit einem deutlichen Akzent, für ihn wäre ein Kurs bei der Volkshochschule durchaus empfehlenswert – um es einmal so auszudrücken. Zusammen machten Sie einen freundlich-aufgeschlossenen Eindruck.

Neugierig wie ich bin, fragte ich die beiden wo sie herkommen – vielleicht aus Bulgarien? Die Frau mit der sportlichen Kurzhaarfrisur verneinte. „Wir kommen aus Weißrussland und haben dann lange in Israel gelebt“. Dann sind Sie Juden? Beide nickten. Ich gab meiner Freude über die Neu-Strümper Honigfreunde Ausdruck.

Die Judenprobe aber wollte ich doch durchführen. Aus meinem Zimmer holte ich besagtes Edelstahl-Teil. Der Mann lachte. „Schschtt“ machte er und imitierte mit der Hand das Scheiden eines Messers. Bingo! Es ist ein Teil aus einem „Werkzeugkasten“ für Beschneidungen. In dem gibt es auch noch ein scharfes Chirurgenskalpell. Der Mohel – so heißt der Beschneider – schiebt die Vorhaut des Knaben in den Schlitz und kann sie dann gefahrlos abtrennen. Womit der mosaischen Gesetzgebung Genüge getan wäre.

Nun musste ich den beiden nur noch erklären, wie ich an das Teil gekommen bin. Ein jüdischer Freund hatte mich zu einer Reise nach Israel eingeladen. Leider war ich terminlich verhindert, „Bring mir doch ein Beschneidungsbesteck mit“, bat ich ihn. Er schaute mich fragend an. Nein, den Beruf eines Mohel möchte ich auch im Nebenamt nicht ausüben, erklärte ich ihm. Als der Freund zurückkam berichtete er, dass er ziemliche Mühe hatte ein solches Gerät aufzutreiben. Nach dem Kauf schaute er sich das Kästchen genauer an: „Made in Brazil“ war da zu lesen.

Wir drei lachten nun herzlich. Am nächsten Tag gab der Mann bei meiner Frau den Schlüsselanhänger mit dem Davidsstern ab. Nun hängt der neben dem Souvenir aus meiner Zeit als Polizeipfarrer.

Jeder Christ, so denke ich, sollte sich immer daran erinnern, dass die Juden unsere älteren Geschwister im Glauben sind. Ärgern darf man sich schon mal über sie, aber nie den nötigen Respekt vermissen lassen, den man seinen älteren Geschwistern schuldig ist.

Zum guten Schluss sei noch an eine Selbstverständlichkeit erinnert: Jesus war natürlich auch ein beschnittener Jude.